Kommissar Steen 01 - Unruhe
hatte.
»Sie schlafen, weil sie müde sind, Schatz. Man darf nicht zu ihnen hinein. Was kam in der Kinderstunde auf dem Computer?«
Seine Tochter breitete die Arme aus und sah ihn misstrauisch an.
»Aber … warum sind sie so kalt?«
»Weil es hier drin so kalt ist.«
»Aber frieren sie denn nicht?«
Der Schwede kam ihm zu Hilfe. Er hielt ihr seine beiden zu Fäusten geballten Hände hin und fragte sie, welche Hand sie wolle, in der einen sei eine kleine Puppe, in der anderen ein Lutscher. Ob das Mädchen spürte, dass die zwei Erwachsenen gerne das Thema wechseln wollten, oder ob es sich über die Puppe tatsächlich freute? Jedenfalls sagte sie:
»Sie heißt Sille, genau wie Mama.«
»Komm jetzt, Schatz, wir fahren nach Hause. Hast du sonst noch was für mich?« Der letzte Satz war an den Schweden gerichtet.
»Dem Mageninhalt nach zu urteilen, hat das Opfer ein Schawarma gegessen. Kein Alkohol, jede Menge Zigaretten, aber das wird dir ja wohl kaum etwas nützen, solange du nicht weißt, wer er ist. Ist dir da oben sonst noch was entgangen?«
»Alter?«
»Ich würde ihn auf vierzig bis fünfundvierzig schätzen.«
»Was erzählt sein Körper?«
»Ich glaube, das reicht für heute mit Tod und Leichen. Hier hat jemand riesengroße Ohren. Lass uns den Rest heute Abend besprechen.«
Axel taumelte mit seiner Tochter an der Hand hinaus ins Licht. Emma sprach fröhlich mit ihrer kleinen Puppe und wirkte vom Besuch im Leichenschauhaus vollkommen unbeeindruckt.
Das war mehr, als man über ihren Vater sagen konnte.
16
Die Dinge liefen in die falsche Richtung. Piver saß in einem Auto mit einem Mann, den er nicht kannte. Zwar hatte er sowohl eine vegetarische Pizza als auch einen Sixpack Dosenbier und ein Päckchen Zigaretten bekommen, aber trotzdem ging es ihm nicht gut. Es war nicht das erste Mal, dass er sich auf einen Weg begeben hatte, den er nicht überblicken konnte. Er kannte das Gefühl, sich auf etwas eingelassen zu haben, das zu groß für ihn war, dem Blick von jemandem auszuweichen, dem er sich unterlegen fühlte.
Als er sein Telefon hervorgekramt hatte, um Liz anzurufen, hatte der andere ihm eine Hand auf den Arm gelegt und gesagt, er solle es wieder wegstecken, weil sie ihn darüber orten konnten.
»Kann ich mir deins mal ausleihen?«, hatte er dann gefragt.
»Hat keinen Saft mehr«, kam als Antwort. »Du kannst anrufen, wenn wir da sind.«
»Wo fahren wir hin?«
»Ich kenne einen sicheren Ort draußen an der Nørrebrobahn, eine alte Fabrik, wo du eine Weile bleiben kannst, ohne dass es jemand merkt.«
Der Typ von Modpress zog sein Ding durch, und er machte den Eindruck, dass er das bis zum Ende tun würde, ganz egal, ob Piver damit einverstanden war oder nicht.
Jetzt hielten sie neben einer alten Lagerhalle im Industriegebiet an der Eisenbahnstrecke im Stadtteil Ydre Nørrebro, um sich die Aufnahme anzusehen. Um sie herum war alles öde und tot, ein Jogger, ein Spaziergänger mit Hund und ein abgestellter Truck waren alles, was er gesehen hatte, seit sie von der Rovsinggade abgebogen waren. Es waren vielleicht hundert Meter bis zu der Straße, die hinauf ins Aldersrogade-Ghetto führte. Piver hatte darauf bestanden, dass sie die Aufnahme im Wagen durchsahen, sodass er abhauen konnte, falls etwas schieflaufensollte. Piver hatte ein sonderbares Gefühl in der Magengegend, aber er wusste nicht, ob es von der Müdigkeit, der Erschöpfung oder dem nagenden Misstrauen herrührte, das er gegenüber dem Mann empfand.
»Hast du es dir ganz angeschaut?«, fragte der Mann neugierig.
»Ja, zum Teil im Schnelldurchlauf, aber ich habe zwei Dinge gesehen, die für die Polizei ein Problem bedeuten.«
»Erzähl!«
»Wenn du es dir ansiehst, dann weißt du, dass ich recht habe, aber ich überlasse dir den Film sicher nicht, bevor ich nicht weiß, was damit und mit mir geschieht und ich Sicherheiten dafür habe.«
Der andere zog die Brauen zusammen und sah ihn mit einem Ausdruck an, den Piver als Kränkung deutete, sodass er seine Aussage modifizierte.
»Nichts für ungut, aber es ist mein Arsch, der hier auf dem Spiel steht, wenn sie mich schnappen. Ihr habt ja eure Pressefreiheit, hinter der ihr euch verkriechen könnt.«
»Ja, schon okay, ich verstehe, dass du beunruhigt bist«, sagte der Mann in versöhnlichem Ton. Piver holte die Kamera hervor und schaltete sie ein. Der andere beugte sich zu ihm herüber. Eifrig.
»Donnerwetter Mann, wie scharf die Bilder sind! Man kann alles genau erkennen.«
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