Kommissar Steen 01 - Unruhe
und malträtierte Leichen präsentieren, Hauptsache, er musste sie nicht riechen. Er hatte den Verdacht, dass es Lennart Jönsson nicht anders ging, auch wenn man einen Gerichtsmediziner niemals dazu bringen würde, das zuzugeben. Im Gegensatz zu seinen Mitarbeitern und den früheren Chefs, deren Büros auf oder über dem Obduktionsbereich im Erdgeschoss lagen, hatte sich der Schwede im Keller neben der Morgue eingerichtet, wo die Leichen bei kühlen fünf Grad aufbewahrt wurden und die Neonbeleuchtung und die nackten Rohre unter der Decke eine klinische und düstere Stimmung auf den gefliesten Gängen verbreiteten. Aber den Geruch gab es hier unten nicht.
Axel betrat das Büro mit Emma an der Hand, warf seine Tasche auf einen der Aktenschränke und setzte seine Tochter auf den großen Bürostuhl vor den Computer. Er rief die Seite von Danmarks Radio auf und klickte sich durch zur Kinderstunde – vier Folgen hintereinander, dreißig Minuten. Das würde bis zum Ende der Obduktion reichen, auch wenn es sich etwas in die Länge ziehen sollte.
»Wann fahren wir nach Hause?«, fragte sie.
Er drückte ihr einen kleinen Karton Apfelsaft in die Hand.
»Ich muss nur ein bisschen arbeiten, dann komme ich. Du bekommst mein Handy und drückst hier drauf, wenn irgendetwas ist, ja? Dann bin ich sofort bei dir.«
Er hatte Lennart Jönssons Nummer rausgesucht, sodass sie ihn im Sektionssaal anrufen konnte, falls sie ihn brauchte. Es war nicht optimal, aber es musste gehen.
Acht Männer und eine Frau standen in kaltes Scheinwerferlicht getaucht um den Stahltisch herum. Der Geruch war nicht so schlimm, ein markanter Anflug von Metzgerei. Die Leiche war geöffnet, das Brustbein und die Rippen entfernt und die Organe herausgenommen. Sie lagen fein säuberlich in Reih und Glied auf einem Beistelltisch, glänzend in einer Kaskade aus blauvioletten, braunen und roten Mustern aus Gewebe und Venen. Ein Pathologe war dabei, Proben der Leber zu nehmen. Axel sah, wie das Skalpell in die weiche braune Masse glitt.
Außer Lennart Jönsson, dem Pathologen, einem Techniker, einem Chemiker und einem Assistenten waren sowohl Darling als auch BB und sein Assistent anwesend. Und Corneliussen. Nicht etwa, weil es ihn interessiert hätte, sondern weil er sichergehen wollte, über alle Fakten zu dem Fall informiert zu sein.
Axel schob sich neben Lennart Jönssons Mitarbeiter, sodass er dem Schweden gegenüberstand. Er sah auf die Leiche. Der Schädel war geöffnet, und das Gehirn lag in einer Schale und schimmerte beigefarben wie eine riesige Walnuss. Die Ablaufrinne, die rund um den Stahltisch verlief, war voller Blut. Es entstand eine kurze Pause, in der der Schwede ihn mit ernstem Blick über sein Brillengestell hinweg fixierte und Corneliussen seufzte.
»Wie ich gerade zu erläutern im Begriff war, deutet alles darauf hin, dass er erwürgt wurde. Ich will dem abschließenden Bericht nicht vorgreifen, aber ich würde August Strindbergs gesammelte Werke darauf verwetten, dass man ihn nach stumpfer Gewalteinwirkung, insbesondere im Gesichtsbereich, und einer übertrieben engen und schmerzhaften Fesselung der Handgelenke, wodurch die Blutzufuhr stark beeinträchtigt wurde, erwürgt hat. Außerdem deutet vieles darauf hin, dass er einen Stromschlag erhalten hat.«
Während er sprach, zeigte er auf die Verletzungen im Gesicht und an den Handgelenken, und bei der letzten Bemerkung ruhte die Spitze seines Kugelschreibers auf einem blauen Fleck am Oberkörper des Opfers.
Axel blickte auf den toten Mann. Er hatte markante Wangenknochen, einen kleinen Oberlippenbart mit leicht gekräuselten Enden, kleine Ohren, die dicht am Kopf anlagen, einen langen Hals mit ausgeprägtem Kehlkopf und war schlank. Die Muskeln, die sich nach Eintritt des Todes zusammengezogen hatten, waren unter der Haut sichtbar. Sein aufgeschnittener Oberkörper verströmte den feuchten Geruch von Verwesung, Blut und Eingeweiden, der zwischen ihnen wie ein böser Geist in der Luft hing, der fragte, wann sie seinen Mörder zu finden gedächten.
»Strom? Wurde er gefoltert?«, fragte Corneliussen und bestätigte damit ein weiteres Mal, dass er sich weit außerhalb seines Gebiets bewegte.
Der Schwede zog einen missbilligenden Flunsch, bevor er nüchtern korrigierte.
»Nein, die Verletzung stammt von einem Gerät, das man Tawser nennt. Beliebte Waffe in den USA , um jemanden kampfunfähig zu machen. Das ist jedenfalls meine Vermutung.«
Axel konnte die Brusttätowierung
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