Kommissar Steen 01 - Unruhe
es gewesen. Er ist nie da gewesen, aber er war mächtig stolz auf Louie. Hin und wieder hatte ich den Eindruck, dass Louie das Einzige war, das ihm etwas bedeutet hat. Allerdings konnte er nicht viel tun, er war unten in Makedonien, ohne Job, ohne Geld. Aber er bemühte sich. Schickte kleinere Beträge, wenn er zu etwas Geld gekommen war. Eine Zeit lang arbeitete er als Dolmetscher, dabei hat er ein bisschen was verdient.« Sie sah plötzlich ganz verloren aus. Und ängstlich.
»Versuch bitte, mir alles von Anfang an zu erzählen. Wie du ihn kennengelernt hast. Wie er war. Ich weiß, das ist viel verlangt, aber es ist die einzige Möglichkeit für mich, mir ein Bild von ihm zu machen.«
»Ich weiß nicht, ob ich mit dir darüber sprechen will. Du kommst hierher, und wir haben …«
Gevögelt, dachte er. Sie beendete den Satz nicht, aber war es nicht genau das gewesen, was sie damals gemacht hatten? Oder war es etwas Zarteres gewesen? Etwas zwischen vögeln und lieben? Es hatte etwas bedeutet, aber jetzt gerade bedeutete es nichts.
»Und dann sagst du mir auch noch, dass der Vater meines Sohnes ermordet wurde. Ich bin immer noch verbittert über euch und das ganze System und dass ihr Louie seinen Vater weggenommen habt. Auch wenn er ein Drogenhändler war, wie du sagst, er war ein guter Mensch oder wollte es zumindest sein. Ja, er wurde verurteilt, für die Dummheit seines Lebens, aber er war überhaupt nicht wie diese Typen, er war ein lebensfroher, lustiger und positiver Mann, der von ein paar Leuten unter Druck gesetzt wurde.«
»Von wem?«
»Seinem Bruder und der ganzen Sippe. Jetzt ist er tot, und jetzt ist es ja auch ganz egal, aber David war nicht wie sie. Er war wirklich ein ordentlicher Kerl, auch wenn er leicht zubeeinflussen war und nicht immer das richtige Maß gefunden hat.«
Aus einem Lautsprecher in der Küche kam französische Musik.
»Wie fing das an mit euch?«
»Ich habe ihn in einem Taxi kennengelernt. Er fuhr mich vom Flughafen nach Hause, ich hatte Urlaub auf Malta mit einem Idioten gemacht, der vergessen hatte, mir zu sagen, dass er verheiratet war. Das ist jetzt wohl dreizehn, vierzehn Jahre her. Wir haben 1995 geheiratet, da kannte ich ihn etwas über ein Jahr lang, das muss also im Frühjahr 1994 gewesen sein. Er war ein schöner Mann, nett und witzig, und er liebte es, auszugehen und zu tanzen. Und er mochte Kinder.«
Das klang sehr nach Kontaktanzeige.
»Aber wie kamt ihr vom Taxi …«
»Ins Bett? Das dauerte tatsächlich ein Weilchen, auch wenn du das vielleicht nicht glaubst«, sagte sie und sah ihn kalt an. »Aber ganz ehrlich, was geht dich das an? Welche Bedeutung hat das für deine Arbeit, ob er mich auf dem Rücksitz seines Taxis gefickt oder mich drei Monate lang mit Blumen samt kleinen Kärtchen belagert hat?«
Das hier lief in die falsche Richtung. Er musste versuchen, sie wieder dazu zu bringen, sich in die Vergangenheit zu versetzen. Er gab ihr Zeit.
»Wie geht es deinem Herzen?«, fragte sie und sah ihn mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln an.
»Meinem Herzen? Was meinst du?«
»Du weißt genau, was ich meine. Du hattest zwei große, kahl geschorene Flecken auf der Brust, als wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
»Da war nichts. Ich habe an einer Versuchsreihe teilgenommen.«
»Ach ja, das hast du damals auch gesagt. Denk dran, ich bin Krankenschwester.«
»Es tut mir leid, wenn ich mich ungeschickt ausgedrückthabe, ich will nur gerne ein Gefühl dafür bekommen, was für ein Mensch er war. Deshalb möchte ich, dass du mir die ganze Geschichte erzählst.«
»Ich kannte ihn schon aus der Korsgade, wo ich in den Achtzigern gewohnt habe, aber nicht sehr gut. Er wohnte mit seinem Vater und seinem großen Bruder auf dem Flur gegenüber. David war der fröhliche von den Dreien, er kannte alle Jungs im Viertel, fand leicht Anschluss und war nicht so ernst wie der Vater und nicht so arrogant wie der Bruder. Er war ein sehr schöner junger Mann damals. Und als ich sah, dass er es war, der uns vom Flughafen nach Hause fuhr, habe ich mich gefreut. Ich habe ihm gesagt, dass ich eine Woche zusammen mit einem Idioten verbracht hätte, der seiner Frau untreu war. Dieser Scheißtyp saß ja mit im Taxi. Dann schmeißen wir ihn doch raus, sagte David. Wir waren mitten in Amager auf der Autobahn. Abgemacht, sagte ich. Dann sind wir weitergefahren und haben diesen Arsch mit seinem Koffer auf dem Seitenstreifen stehen lassen. David gab mir seine Nummer. Ruf an, wenn du
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