Kommissar Steen 01 - Unruhe
irgendwann mal Hilfe brauchst oder eine Tasse Kaffee trinken willst. Das war ein Angebot, das ich mir nicht entgehen ließ. Ein paar Wochen später haben wir uns im Blågårds Apotek getroffen. Eine Live-Band spielte, und David wollte unbedingt mit mir tanzen. Es war niemand auf der Tanzfläche, und mir war’s unangenehm. Aber er hat mich überredet. Tja, und dann haben wir eben getanzt, wild und losgelöst.«
Sie schwieg.
»Viel mehr gibt es auch gar nicht zu erzählen. Ich habe mich in ihn verliebt. Es war einfach, mit ihm zusammen zu sein. Ich wurde schwanger. Wir kauften das Haus hier von dem Geld, das wir angespart hatten, und zogen zusammen. Auch wenn es nicht geplant war, freuten wir uns auf das Kind. David fuhr Taxi. Sein Vater hatte zwei Wagen, die David und sein Bruder übernahmen, sie waren also jetzt Unternehmer. Ich wusste nicht, was sein Bruder machte, aber ich mochte ihn nicht. Er behandelte mich von oben herab, nicht weil ich Dänin war, sondern weil ich ihm seinen kleinen Bruder weggenommen hatte. Einmal hat er mir das direkt ins Gesicht gesagt. Er hatte eine Frau und drei Kinder. Sie lebten in Makedonien, und jeden Sommer waren sie dorthin gefahren. Aber nachdem David mich kennengelernt hatte, wollte er nicht mehr mit in die Heimat, und das gefiel seinem Bruder nicht. Es war schwer für David, denn in vielerlei Hinsicht war er innerlich noch ein Kind, ein Junge. Und der Bruder wurde zu einer Art Vater für ihn, als ihr Vater starb. David war hin- und hergerissen zwischen ihm und mir. Ich wusste nichts davon, dass der Bruder eine große Nummer im Drogenhandel war. Ich kam erst dahinter, als David festgenommen wurde.«
»Wie kam es dazu?«
»Louie wurde im Frühjahr geboren. Es war ein beschissener Sommer, es regnete ständig. Eines Nachts im August kamen deine Kollegen, schlugen die Tür ein und stellten das ganze Haus auf den Kopf. Sie wollten mir nicht sagen, was passiert war, nur dass David die nächsten vier Wochen einsitzen würde. Den siehst du erst im nächsten Jahrtausend wieder!, sagte einer von ihnen höhnisch zu mir. Es war wie ein böser Traum. Dann rief ich Salki an, seinen Bruder, und fragte, was denn um Himmels willen los sei. Er weigerte sich, mit mir zu sprechen, solange die Polizei da war. Ich hatte einen kleinen schreienden Jungen auf dem Arm, das Haus voll mit aggressiven Schnüfflern und niemand, der mir irgendwas sagte. Nach ein paar Stunden kam ein Kriminalkommissar und erklärte mir, David sei mit siebzehn Kilo Kokain im Auto erwischt worden, er werde verhört und käme die nächsten vier Wochen in Untersuchungshaft. Das ist eine Lüge, schrie ich. Ihr lügt doch. Das ist nicht mein David.«
Sie machte eine kurze Pause. Axel dachte nach, wie er selbst sich verhalten hätte, wenn er das Kommando gehabt hätte. Hätte er sich davon beeinflussen lassen, dass sie ein kleines Kind hatte? Er hätte wohl eine Kollegin hinzugezogen und den Sozialdienst eingeschaltet, aber erst, nachdem er versucht hätte, etwas aus ihr herauszubekommen.
»Sie wollten mich zum Verhör mitnehmen. Und was ist mitmeinem Kind?, fragte ich. Ihr nehmt mir nicht mein Kind weg, schrie ich. Ich brach zusammen. Ich versuchte, ihnen zu erklären, dass ich nichts wusste, dass ich keine Ahnung hatte, was los war. Ich hatte den Eindruck, dieser Kommissar glaubte mir sogar, denn er sagte, es würde sich schon alles finden, aber sie seien gezwungen, mich zu verhören, zu meinem Mann und zu dem, was er machte, seinen Reisen, Telefonaten, unseren finanziellen Verhältnissen, dem Haus, dem Auto, zu allem eben. Ich durfte Louie bei mir behalten. Es dauerte die ganze Nacht. Schließlich fuhren sie mich zurück in ein Leben, das ich mir in meinen schlimmsten Albträumen nicht vorgestellt hätte. Der, der mich ins Haus brachte, sagte, wenn ich nicht so eine verdammte Drogenschlampe wäre, hätte er glatt Lust, mich zu vögeln.«
Hätte er dasselbe gesagt? Hatte er es in anderen Situationen gesagt? Nein, wahrscheinlich nicht, aber er hatte Dinge gesagt, die übler waren, um Verdächtige zu provozieren oder an Informationen zu kommen. Wenn er es getan hatte, dann hatte er ein bestimmtes Ziel damit verfolgt, dachte er, das hier war einfach chauvinistische Bosheit. In der Küche klang es weiter von Sehnsucht und Verlangen. Axel bekam Magenschmerzen.
»Wir hatten ein Kinderzimmer eingerichtet, mit Wickeltisch, großen roten und gelben Blumen an den Wänden, Greifringen und Rasseln und einem Mobile aus Holz mit Clowns und
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