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Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Titel: Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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herumschnüffelt. Sie soll wieder gehen. Als sie merkt, dass ich sie nicht reinlassen will, zeigt sie auf ihre offene Wohnungstür. Eigentlich möchte ich das auch nicht. Sie soll mich einfach in Ruhe lassen. Aber dann nehme ich doch meinen Schlüssel, schließe hinter mir die Wohnungstür und gehe mit. Sie bietet mir einen Kaffee an, aber ich will ihren Kaffee nicht.«
    In sein erneutes Schweigen hinein sagte Meißner vorsichtig: »Sie stehen also in ihrer hellen, ordentlichen Wohnung und sehen sich um.«
    »Es ist alles weiß«, sagte Grote. »Wände, Boden, Regale: alles weiß. Ein paar rote Punkte leuchten mit entgegen – wie Signale: das rote Sofa, ein rotes Bild an der Wand, eine rote Tischdecke, rote Blumen in einer Vase. Aber am schrillsten leuchtet die Krawatte, die sie um den Hals hängen hat. Die Farbe flackert vor meinen Augen. Es ist so ein kleines Muster darauf, das man nur erkennt, nur wenn man lange draufstarrt, wie bei den 3D-Bildern. Auf einmal lösen sich rote Panther aus dem Hintergrund und springen mich an. Sie hält mir die beiden Teile hin, mit denen ich den Knoten binden soll. Als ich sie in die Hand nehme, zittern meine Hände, und der Schweiß bricht mir aus. Plötzlich lächelt sie nicht mehr. Sie traut mir nicht. Sie reißt den Oberkörper nach hinten, will weg von mir, aber ich halte sie, bin schon dabei, den Knoten zu schlingen. Als ich ihn zuziehe, sehe ich die Angst in ihren Augen. Es ist dieselbe Angst, die Helena in den Augen hatte, als ich ihr ins Gesicht schlug. Dieselbe Angst, die mich aus dem Gesicht meiner Tochter anstarrte, als ich vor dem Frauenhaus plötzlich vor ihnen stand. Wie einen Fremden hat mich Jana angestarrt, stumm und auf einen Ausweg lauernd. Auch die Frau sucht einen Ausweg. Sie legt ihre Hände an meine, spürt aber die Kraft, mit der ich den Knoten zuziehe. Da erkennt sie, dass es keinen Ausweg gibt, dass das Spiel, das grausame Spiel, das sie mit mir getrieben hat, nun ein Ende hat.«
    Meißner war so, als stünde er mit ihnen in dem Zimmer, ohne eingreifen zu können. Am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten. Sich taub gestellt. Aber Grote erzählte weiter. Meißner verschränkte die Arme vor der Brust. Sein einziger Schutz.
    »Sie krallt mir ihre Nägel in die Hände, aber sie ist nicht sehr kräftig. Vielleicht hat sie auch keine Kraft mehr, weil sie weiß, dass es keinen Sinn hat. Irgendetwas knirscht und kracht. Ich sehe, wie ihre Augäpfel hervortreten. Kleine rote Fallschirme landen auf dem Weiß in ihren Augen. Die Pupillen wandern langsam nach oben, und nun füllt der Schneesturm meine eigenen Augen. Es flimmert, und einige Farbpunkte schießen wie Leuchtraketen durch den Nebel und den Staub. Ich merke, wie sie zusammensackt, und halte sie unter den Armen. Ich lege sie auf den Teppich. Ihr Körper sieht ganz heil aus. Zu den Augen sehe ich nicht mehr hin.«
    Meißner unterdrückte einen Hustenreiz. Er hatte Angst, sich übergeben zu müssen.
    »Und dann haben Sie sich noch im Zimmer umgesehen?«, fragte er heiser.
    »Auf dem Stuhl steht ihre Tasche. Sie ist offen. Ich sehe hinein und finde das Diktiergerät, das sie immer dabeihatte, wenn sie ins Frauenhaus ging und sich mit der Lesbe traf. Das Gerät blinkt, und die Aufnahmetaste ist gedrückt. Sie hat alles aufgenommen. Warum? Was läuft hier ab? Was ist das für eine komische Masche? Was habe ich damit zu schaffen? Ich spüre, wie die Wut in mir hochsteigt. Diese Zicke! Was bildet sie sich bloß ein, wer sie ist? Darf man das überhaupt? Jemanden aufnehmen, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen? Blöde Kuh, denke ich, dann hole ich das Gerät aus der Tasche, schalte es aus und stecke es in die Hosentasche. Ich gehe aus der Wohnung und schließe die Tür hinter mir. Ich hole mir den Autoschlüssel aus meiner Wohnung und fahre nach Westen, raus aus der Stadt, zum Stausee. Dort werfe ich das Diktiergerät weit hinaus ins Wasser. So weit ich kann.«
    Grote sank im Stuhl zusammen, sein ganzer Körper wirkte nun entspannt und locker. Er hatte sich einer großen Last entledigt.
    Das Tonband lief immer noch mit, aber sie wussten, dass es nun vorbei war. Sie hatten das Geständnis. Der DNA -Test würde positiv sein.
    Als Meißner den Raum verließ, war er erleichtert. Er hätte noch mehr Fragen gehabt, aber er wusste nicht, wem er sie hätte stellen sollen.
    Er spürte Zorn in sich aufsteigen, der sich nicht gegen eine konkrete Person richtete. Schon gar nicht gegen Grote. Der war selbst ein Opfer. Eher

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