Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich
schon gegen Naum, den Spieler mit seinen dämlichen Ideen, von denen eine Roxanne das Leben gekostet hatte. Naum machte es ihm irgendwie leichter. Er machte ihn wütend und aggressiv.
Meißner fuhr hinaus an die Donau und trauerte dort um Roxanne Stein, die er dreimal gesehen, aber nie kennengelernt hatte.
ZWÖLF
Am Freitag wurde sie auf dem Westfriedhof beerdigt, wo auch der ehemalige jüdische Friedhof von Ingolstadt lag. Mittlerweile war der katholische um den jüdischen Friedhof herumgewachsen und hatte ihn innerhalb seiner Mauern aufgenommen. Heute gab es keine Juden mehr in Ingolstadt, aber etwa sechstausend Moslems. Sie begruben ihre Toten in einem Abschnitt des Südfriedhofs.
Am Grab stand die Familie. Die ältere Tochter beim Vater, die jüngere näher bei der Schwester der Verstorbenen. Pavel Kuska war da und Rebecca Reim. Hinter ihr stand Marlu. Ganz hinten konnte er sogar Günter Naum erkennen, den Spieler, der eigentlich nur ein Spießer war. Es waren sehr viele trauernde Menschen um das Grab versammelt. Einige Sänger eines gemischten Chors hatten sich auf dem Hauptweg aufgestellt.
Meißner stand etwas abseits, trotzdem drehten sich alle nach ihm um, als sein Handy klingelte. Er ging auf dem Kiesweg zurück, weg von dem lehmigen Erdhaufen neben dem frischen Grab, den vielen Blumen und den Trauernden, um den Anruf anzunehmen. Es war Carola. Sie wusste nicht, dass Roxanne Stein heute beerdigt wurde, sie wusste überhaupt nichts von Roxanne. Sie wollte ihm erzählen, dass der Junge offenbar Musik liebte. Wenn sie klassische Musik hörte, begann er sofort sich zu strecken und zu drehen. Es war, als würde er sich wie ein kleiner Tänzer in ihr bewegen.
»Habt ihr schon einen Namen ausgesucht?«, wollte Meißner wissen.
»Wir schwanken noch zwischen Alexander und Cornelius. Was gefällt dir besser?«
»Der Grieche, der mit einem Alpha anfängt«, sagte Meißner. »Wann soll er denn kommen?«
»Am 25. November, wenn er pünktlich ist. Ein Schütze.«
Meißner ging durch das Friedhofstor hinaus auf die Straße. Die Spätsommersonne verschwand gerade hinter einem dünnen Wolkenband, als er sein Jackett auszog und die Krawatte abnahm. Ja, natürlich ging das Leben weiter.
In seinem Audi ließ er das Fenster herunter und fuhr Richtung Innenstadt. Vor der Glacisbrücke bog er vom Ring ab und fuhr die Donau entlang, wo er den Wagen in der Gasse parkte, in der Carola auf dem Rad an ihm vorbeigefahren war und er den Auffahrunfall verursacht hatte. Wie lange war das nun schon her, nur eine Woche? Es kam ihm schon so lange vor.
Er setzte sich in eins der Straßencafés mit den Aluminiumtischen und niedrigen Stühlen, bestellte einen Cappuccino und, als ihm die Kellnerin selbst gemachte Kuchen empfahl, auch noch ein Johannisbeer-Baiser dazu.
Die Sonne schien ihm ins Gesicht.
Wenn es nach der Statistik ginge, würde der nächste Mord in Ingolstadt nicht innerhalb der kommenden sechs Monate passieren. In der Zeit würde er seinen Wagen reparieren lassen. Außerdem würde Carolas Junge geboren werden. Meißner dachte daran, dass er seine Datscha bald winterfest machen musste.
Lisa Graf-Riemann, Ottmar Neuburger
HIRSCHGULASCH
Kriminalroman
ISBN 978-3-86358-087-2
»Im Verein mit detailgenauen historischen Kenntnissen … sowie einer Portion Fantasie, ist ein fesselnder Roman entstanden. Das Buch steckt voller Action, Spannung, schlagfertiger Dialoge und grausiger Entdeckungen.«
Passauer Neue Presse
Leseprobe zu Lisa Graf-Riemann / Ottmar Neuburger,
HIRSCHGULASCH
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Berchtesgaden, 29. Mai 2010
Der Trichter zwischen Göll und Hohem Brett, zweihundertfünfzig Meter im Durchmesser, ist das ganze Jahr mit Schnee und Eis gefüllt. Kein Mensch weiß, wie mächtig das Eis darin ist, ob es zehn oder hundert Meter misst. Jetzt im Frühjahr hat sich eine Kluft aufgetan zwischen dem schmelzenden Eis und dem Fels, der nach Osten hin fast hundert Meter aufragt. Ein schmaler Pfad zwischen Kluft und Felswand führt vom Göll hinüber zum Nachbargipfel.
Der Mann ist mit Pickel, Seil, Stirnlampe, Haken und Karabinern nachts vom Purtschellerhaus zum Hohen Göll aufgestiegen. Der Vollmond steht weiß am wolkenlosen Himmel und taucht die Landschaft in ein kaltes Licht. Es erinnert ihn an einen Anatomiesaal und die Schatten, die die Felsen werfen, an dunkle Gestalten, die sich über einen Seziertisch beugen.
Er ist allein aufgebrochen, und niemand ist ihm unterwegs begegnet. An einer leichten Kletterpassage zur
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