Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich
kleine Mädchen in Sicherheit bringen.«
Sie erreichten die Ausfahrt München-Schwabing, und Meißner bog auf den Mittleren Ring Richtung Osten ein. Dann näherten sie sich dem Englischen Garten und fuhren am Kleinhesseloher See vorbei, dessen Westufer ganz grau war von den vielen Kanadagänsen, die hier den Sommer verbrachten.
Am Tucherpark bog er rechts ab und fuhr die Ifflandstraße zwischen Eisbach und Isar entlang. Als sie die Franz-Joseph-Brücke überquert hatten, sahen sie auf der anderen Seite gleich an der Ecke das Café. Meißner parkte auf dem breiten Gehweg hinter einer Reihe von Alleebäumen, die die Mauerkircherstraße säumten.
Im Café fanden sie Helena Haschova an einem Fenstertisch sitzend. Blass und mit roten Augen starrte sie auf das Handy, das auf dem Tisch lag.
»Hat er sich gemeldet?«, fragte Meißner.
Sie nickte.
»Was will er?«
»Sich mit mir treffen.«
»Wann? Wo?«
»In Thalkirchen, an der Brücke beim Zoo. Ich soll mit der U-Bahn hinfahren, allein.«
»Haben Sie mit Jana gesprochen?«
Sie schüttelte den Kopf, zog ein Taschentuch aus der Jackentasche und schnäuzte sich. »Er hat gesagt, es geht ihr gut. Er wird ihr nichts tun, wenn ich komme, allein. Ich muss alleine hinfahren«, sagte sie und sah Meißner ängstlich an.
»Das werden Sie nicht tun. Sie brauchen Hilfe.«
»Aber wenn er jemanden von Polizei sieht, wird er sie mir wegnehmen.«
»Nein, Frau Haschova. Was er will, sind Sie, nicht Jana. Er wird ihr nichts tun, und er wird auch niemanden von der Polizei sehen. Ich fahre mit Ihnen mit der U-Bahn. Kein Polizeiauto, keine Uniformen. Nichts, was seinen Verdacht erregen könnte. Wann sollen Sie dort sein?«
»In einer halben Stunde, hat er gesagt.«
»Welche U-Bahn fährt nach Thalkirchen?«
»Die U 3, Richtung Fürstenried«, sagte Marieluise. »Eine Freundin von mir wohnt in Solln.«
»Aha. Dann zahlen wir jetzt, und ihr fahrt uns zur nächsten U-Bahn-Station. Dietlindenstraße oder Münchner Freiheit?«
»Münchner Freiheit ist besser. Da könnt ihr direkt in die U 3 einsteigen.«
Sie fuhren zurück nach Schwabing. Beim Aussteigen nahm Meißner Marieluise zur Seite.
»Ihr folgt uns und haltet euch in der Nähe der Station Thalkirchen auf, aber außer Sichtweite, verstanden? Ich will euch im Notfall schnell erreichen können. Und erkundigt euch, wie die Stimmung bei den Münchner Kollegen ist. Ob sie schon komplett sauer sind auf uns. Könnte ja sein, dass wir sie noch brauchen.«
»Sollen wir nicht doch lieber mitkommen, Stefan? Vielleicht ist er ja bewaffnet.« Sie sah ziemlich besorgt aus.
Doch Meißner hob nur abwehrend die Hand und ging mit Frau Haschova Richtung U-Bahn-Eingang.
»Was soll ich denn zu ihm sagen?«, fragte sie, als sie im Zug saßen.
Im Auto war sie wie gelähmt gewesen und hatte kein Wort gesagt.
»Dass Sie sich große Sorgen um Jana machen. Dass sie verängstigt und müde sein wird und ins Bett muss. Dass er mitkommen soll. Dass sich schon Lösungen finden werden. Reden Sie ihm ein, dass alles noch einmal gut werden könnte. Meinen Sie, Sie schaffen das?«
»Ich weiß es nicht«, sagte sie zweifelnd.
»Wo genau haben Sie den Treffpunkt ausgemacht?«
»Er sagte, ich soll den Ausgang Richtung Zoo nehmen und dann über die Brücke gehen. Er darf Sie auf keinen Fall sehen, und wenn, dann dürfen Sie ihn nicht erschrecken, nicht, wenn Jana dabei ist.«
»Ich werde mich zurückhalten und vorsichtig sein, versprochen.«
Bei der Ankunft in Thalkirchen drückte er noch einmal kurz ihre Hände und schob sie fast die Treppe zum Ausgang hinauf. Sie zog die Schultern hoch, atmete tief ein und ging hinaus.
Meißner hätte gerne gesehen, ob er bereits auf sie wartete, wo er stand, ob er mit dem Auto gekommen war, aber er durfte nichts riskieren, schließlich waren sie sich ja im Treppenhaus der Beckerstraße schon einmal begegnet. Er nahm den Ausgang auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wo es zur Privatklinik am Isarkanal ging. Einige ältere Leute begleiteten ihn. Vielleicht besuchten sie Angehörige in der Klinik. Meißner nahm nicht den Weg zum Krankenhaus, sondern blieb am Beginn der Brücke stehen. Frau Haschova lief auf dem rechten Gehweg über die Brücke. Sie hatte den Kanal bereits überquert, ging nun über die Isar und näherte sich dem anderen Ufer.
Meißner blieb auf seiner Seite der hölzernen Brücke stehen und sah auf den linken Seitenarm des Isarkanals hinunter, der an der Hütte eines Rudervereins vorbeiführte.
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