Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich
seine Jana, zog ängstlich den Kopf ein, dann machten sie sich Richtung Ostbahnhof auf den Heimweg.
Schnell ging er die Straße entlang bis zur nächsten Querstraße, wo er einen Fußweg zum Bahnhof entdeckte, den er einschlug. Er musste vor ihnen sein, dachte er, als er die Gleisunterführung erreichte. Dort wartete er, bis er sie kommen sah, dann ging er weiter, immer ein Stück voraus.
In der Balanstraße wechselte er die Straßenseite und ging am Wohnhaus von Helena vorbei zur Grünfläche, die er am Tag zuvor als Toilette benutzt hatte. Dort wartete er. Auf dem ganzen Weg vom Orleansplatz war ihm keine weitere Polizei aufgefallen. Er zog eine Zeitung aus der Tasche und setzte sich auf eine Parkbank. Als er sich umdrehte, sah er das Dreiergrüppchen schon kommen, aber an der Ecke Rosenheimer Straße stand nun auch wieder der Streifenwagen. Die Frau mit dem Kopftuch zog einen Schlüssel aus der Jackentasche und öffnete die Haustür. Im Flur, direkt dahinter, öffnete sie einen der Briefkästen in der oberen Reihe, ziemlich weit rechts, und nahm die Post heraus. Dann fiel die Haustür zu.
Grote blieb noch eine Weile mit seiner Zeitung sitzen. Der Streifenwagen fuhr im Schritttempo die Balanstraße entlang, an der Welfenstraße wendete er und kam noch einmal langsam zurück. Der Wagen wartete. Nach etwa zwanzig Minuten verschwand er.
Grote wartete noch eine weitere Viertelstunde ab, dann nahm er einen kleinen Werkzeugkoffer aus dem Auto, ging zum Wohnhaus und drückte auf mehrere Klingelknöpfe. Als eine Frauenstimme »Wer ist denn da?« rief, antwortete er »Post!«, und der Türöffner summte. Er sah sich die Briefkästen genauer an. Aus den meisten ragte ein zusammengefaltetes Anzeigenblatt heraus, nur rechts oben waren zwei Briefkästen schon geleert worden. Er las die Namen: Wagner und Dergisi. Wegen des Kopftuches der Frau entschied er sich für Dergisi. Er sah noch einmal auf die Klingelschilder neben der Haustür, dann fuhr er mit dem Aufzug in den sechsten Stock, fand die Tür und klingelte. Er hörte Schritte, dann fragte ein Junge: »Wer ist da?«
»Guten Tag, ich komme von der Telekom.«
»Was wollen Sie? Unser Telefon ist in Ordnung.« Das war eine Frauenstimme.
»Frau Dergisi? Wir müssen die Leitung in Ihrer Wohnung prüfen, reine Routine. Eine technische Umstellung. Das betrifft alle Wohnungen im Haus.«
»Ach so.« Die Tür öffnete sich.
Sie zeigte auf das Telefon, das auf einem Tischchen im Gang stand. Er schob es zur Seite, öffnete seinen Werkzeugkoffer und schraubte die Abdeckung der Anschlussbuchse auf.
»Das wird ein bisschen dauern«, sagte er. »Lassen Sie sich nicht stören, Sie werden doch sicher Mittagessen kochen müssen für Ihren Sohn. Ich komme hier schon allein zurecht.«
Er nahm das Telefon, wählte eine Nummer und sagte: »Hallo, Zentrale, ich bin jetzt im sechsten Stock, Wohnung Dergisi.« Und nach einer Pause: »Ja, okay, dann stellt mal um. Ich warte.«
»Gut, ich bin dann mal in der Küche, wenn Sie mich brauchen.« Damit ließ Frau Dergisi ihn allein.
Als sie weg war, entfernte er die Schutzkappe und zog mit dem Schraubenzieher die feinen Kupferdrähte aus den Klemmen. Dann wartete er ab.
Nach einer Weile betrat Jana den Flur und ging zum Badezimmer. Sie sah den Mann, der im Gang neben dem Telefon kauerte, aber er schaute zu Boden, und sie erkannte ihn nicht. Als sie die Türklinke zum Badezimmer drückte, sprang er auf, war in zwei Schritten bei ihr, packte sie mit der linken und hielt ihr mit der rechten Hand den Mund zu. Er stieß sie zur Haustür, die er mit dem Ellbogen öffnete, und schob das Mädchen hinaus. Dann rannte er mit Jana die sechs Stockwerke hinunter. Vom Eingang aus sah er auf die Straße hinaus, bemerkte nichts Auffälliges und drückte das Mädchen dann gegen die Wand mit den Briefkästen.
»Pass auf, Jana, wir fahren jetzt zu Mama. Wir holen sie von der Arbeit ab, das wird eine Überraschung! Du wirst doch nicht weglaufen, oder? Ich werde dir nichts tun, das musst du mir glauben. Ich will nur Mama überraschen.«
Jana sah ihn stumm an. Sie hatte viel zu viel Angst zum Weglaufen.
Er nahm sie bei der Hand und verließ mit ihr das Haus Richtung Nockherberg, wo er das Auto abgestellt hatte.
»Wir fahren nur zur Mama«, sagte er noch einmal. »Alles wird wieder gut. Du wirst schon sehen.«
Er fuhr einfach los, den Nockherberg hinunter zur Isar und dann flussaufwärts aus der Stadt hinaus, ohne Ziel. Er hatte erst einmal seine Tochter
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