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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorit Kowitz
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vergleichbarer Lage leisten sich den Luxus, ihr sauer verdientes Geld Schlossherren in Mecklenburg oder Schiffseignern auf der Seine in Paris oder Besitzern von Vier-Sterne-Hotels in der Emiglia Romana in den Rachen zu stopfen, auf dass ihnen das Gros der Last abgenommen werde.
    Wir dagegen luden sie uns mutwillig auf. Raffiniert war das nur bedingt. Vermutlich hatte es aber seinen Sinn, füruns. Denn abgesehen davon, dass wir diesen rustikalen Saal nun mal hatten, schienen wir der Beliebigkeit und Flüchtigkeit unseres fortwährenden Pendlerlebens einen möglichst individuellen Kontrapunkt entgegensetzen zu müssen. Die Hochzeit auf unserem Fleckchen Heimat gestaltete sich als Präsentation unserer unveräußerlichen Werte: Seht her, so sind wir miteinander, wenn man uns nur mal lässt. Ein Teil unserer Gäste kannte immer noch nur einen von uns lange und intensiv, hatte aber den anderen erst zwei- oder dreimal gesehen.
    An unserem hohen Tag sollte sich für jeden in unserem Freundeskreis das Phantom endgültig auflösen und der Lebensmensch Gesicht und Herz bekommen. Das klingt heute besser, als es sich damals anfühlte.
    Die Scheune auf unserem Hof ist aus rotem Backstein gemauert und hat durch ihre kreuzförmigen Fensterschlitze und die eingemauerte Ornamentik beinahe etwas Romanisch-Kathedrales. Wenn sie leer ist.
    Sie war aber nicht leer. Sie wurde, im Gegenteil, wenige Wochen vor dem angeblich schönsten Tag in unserem Leben, erst richtig vollgestopft. Mit Gerümpel und einer solchen Unmenge an Feuerholz, dass man, an einem ihrer Enden stehend, das andere nicht mehr sehen konnte.
    Zunächst lag in der Scheune noch der alte verwurmte Heuboden mit seinen mindestens vierzig Jahre alten Heuresten unserer Vorvorbesitzer darauf. Als Paul den Boden in einer mehrtägigen halsbrecherischen Aktion entfernt hatte, stapelten sich schon mal einige Kubikmeter alte meterlange Bohlen und sehr viel verfaultes Stroh. Bald danach ging Paul mit seinem Freund Jonas, dem künftigen Trauzeugen, in den Staatsforst. Dort hatte es gerade einen Holzeinschlag gegeben. Die von den Waldarbeitern liegen gelassenen Äste und krummen Stämme konnte man sammeln und behalten, undwir brauchten Holz für den Kamin im Winter. Darum sammelten Paul und Jonas sehr eifrig. Sie fühlten sich danach zerschlagen, aber unglaublich männlich.
    Ich fühlte mich unglaublich überfordert. Mir entfuhren jetzt manchmal hysterische Lachanfälle. Denn jetzt war kein Winter, jetzt war Hochzeit angesagt! Und da, wo sie angeblich stattfinden sollte, hatten wir nun, neben den Bohlen vom Heuboden, zehn Raummeter frische, rohe, krumme Kiefernknüppel liegen, in hohen diffusen Haufen, kreuz und quer, außerdem alte Fahrräder, einen kaputten Rasenmäher, einen zerbrochenen Pferdewagen, alte Wohnzimmermöbel, Plastikstühle und verrostetes Gartengerät unbestimmter Herkunft. Nebenbei hatte das Dach ein paar Löcher, und das Gebälk krümelte vom Holzwurm. Hinter der Scheune sollte ein Zelt für das Buffet angebaut werden. Dort wuchs momentan allerdings eine Art Urwald. Hilfe!
    Warum ich darüber Worte verliere, wo es doch hier um die Fernbeziehung geht? Das kann ich sagen: Wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch ganze sechs Wochen Zeit. Sechs Wochen wären viel gewesen, hätte jeder Tag gezählt oder wenigstens jeder Abend. In Fernbeziehungseinheiten aber bedeutete das, wir hatten noch ganze achtzehn Abende zum Überlegen und lächerliche zwölf Wochenendtage zum Handeln. Nebenbei löste sich aber der Bundestag auf, der Wahlkampf hatte begonnen, und es gab ein bisschen was zu arbeiten für die werdende Mutter aus der Politikredaktion.
    Wir organisierten Arbeitseinsätze. Im Osten hieß das mal Subbotnik und war unentgeltlich, sieht man von den erheblichen Mengen konsumierten Alkohols währenddessen ab. An dieser Hochzeit aber war nichts mehr kostenlos, und Alkohol gab es obendrein. Ein Mann aus dem Dorf sägte gefühlte drei Tage und Nächte lang unser Holz klein für einen horrenden Lohn. Danach musste es gestapelt werden. Meine Mädelskonnten nicht. Helene hatte in New York zu tun, Milla hatte vor sieben Monaten ihre Tochter in München zur Welt gebracht und schlug sich alleinerziehend um einen Krippenplatz und eine Nanny, damit sie wieder arbeiten gehen könnte. So rückten Pauls Schwester und ihr Freund an und rodeten den kleinen Wald hinter der Scheune. Meine Mutter und ihr Gefährte kamen aus Berlin und schichteten zwei Tage hintereinander so lange Holz auf, bis sie

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