Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorit Kowitz
Vom Netzwerk:
Kardinalfehler!
    Wir hatten offensichtlich ein großes Problem.
    Ich sagte, schon angespannt, „warum hast du mir dann überhaupt ’nen Antrag gemacht?“
    „Weil ich wollte.“
    Wir verbrachten die Winterwochenenden damit herauszufinden, wie die Chose über die Bühne gehen sollte und entzweiten uns bereits darüber ein ums andere Mal. Es endete mit Ansagen von mir, die sinngemäß lauteten: „Wir müssen das wirklich nicht machen, wenn du es so schrecklich findest, das will ich nicht“, wobei meine Hintergedanken kaum chiffriert durchdrückten: Aber ich würde es so gerne machen, weil es nie und nimmer schrecklich wird. Auch dir wird es gefallen, ich weiß es, ich kenne dich!
    Paul sagte, sinngemäß: „Aber es ist auch meine Hochzeit, es muss mir doch auch gefallen, ich kann mich doch nicht zwingen etwas zu tun, was mir nicht behagt“, wobei seine Gedanken nicht minder klar durchschienen: Aber ich weiß, dass es dich nur glücklich macht, wenn wir so heiraten, wie du eswillst, mit vielen Leuten, und das setzt mich unter Druck. Und das kann ich nicht ab, das weißt du ganz genau .
    Ist das nicht romantisch?
    Ende Februar schickten wir an 98 Freunde und Verwandte eine Safe-The-Date-Mail heraus. Für ein Wochenende im August. Das Fallbeil war hoch gezogen und arretiert.
    Im Nachhinein erscheint das so, als wäre das mein erster Vorab-Coup als Ehefrau gewesen, nach der klassischen Methode: Lass den Mann nur reden und sich plustern, die Zeit wird es für mich entscheiden, steter Tropfen höhlt den Stein. Aber so war es nicht; es fühlte sich überhaupt nicht nach Sieg an. Ich mochte niemanden übertrumpfen, den ich heiratete. Ich wollte, dass Paul sich darauf freute. Das Gute war, als der Termin herausposaunt war, schauten wir nicht mehr auf die vergeudeten Wintersonntage zurück, sondern nur noch nach vorn, auf das Unausweichliche. Das war Herausforderung und Bedrohung genug.
    Wir verbrachten meinen Geburtstag im März in Rom. Man kann heute sagen, dass dies bis auf weiteres die letzten sorglosen Tage der nächsten vier Jahre waren, und es wäre eine feine Ironie, hätten wir es fertig gebracht, unsere Kinder eben dort zu zeugen, in dem Hotel neben dem Vatikan. Aber das mit den Kindern geschah uns offenbar erst zwei Wochen später. Am 1. April.
    Da wir dazu neigten, uns nichts leicht zu machen, war klar, dass wir auf unserem Hof und in unserer Scheune feiern würden, fernab jeder Infrastruktur, die diesen Namen verdient hätte. Wie so viele Mitteleuropäer und wider alle schlechten Erfahrungen unseres nicht mehr ganz so kurzen Lebens zockten wir im deutschen Winter darauf, dass der kommende Sommer unserer sein würde. Die Sonne würde an unserem Hochzeitstag selbstverständlich scheinen und zwar bei perfekten 25 Grad am Tag und milden18  Grad in der Nacht – eine Wetterlage, die es in unserem Dorf in Brandenburg aber praktisch niemals gab, außer in unvorhersehbaren, klimawandelbedingten, dürre-heißen April-Tagen.
    Und die Warnungen vor dem deutschen Wetter waren zahlreich: Meine Cousine hatte im Spätsommer des Jahres zuvor geheiratet, natürlich im Freien, am See. Unmittelbar nachdem sie mit ihrem Mann das Buffet eröffnet hatte, ging ein einstündiger Wolkenbruch nieder, die Temperatur stürzte um zehn Grad. Man wusste bald nicht mehr, wo die Wiese aufhörte und der See begann. Die Wassermassen durchtränkten alles und jeden, der nicht bei eins unter eine Plane kam. Ich versank mit meinen High-Heels augenblicklich im Matsch und tauschte sie gegen irgendein praktisches, aber plumpes Schuhwerk. Der Bräutigam, ein 1,93-Meter großer promovierter Orthopäde, wechselte seinen Smoking gegen Anglerhose, Gummistiefel und Südwester ein und lief so den ganzen restlichen Abend herum. Das gab herrliche Bilder, weil die Braut in ihrer bodenlangen Robe in hellstem Bleu verblieb und neben ihm aussah, als habe sie ihren Frischangetrauten im Gewühl verloren und sich zum Trost beherzt den erstbesten Fischer geschnappt.
    Kurz davor hatte es ein ähnliches Unterfangen an der Havel gegeben: Lars hatte seine junge Flamme bei Sonnenschein in Kreuzberg geheiratet, gefeiert wurde abends in einer wunderschön gelegenen Ausflugsgaststätte zwischen Berlin und Potsdam – jedenfalls war der Biergarten wunderschön. Nur, leider: Es begann zu regnen, es wurde kalt und das im August. Alle mussten sich im Innern tummeln, wo es eher rustikal und gedrängt zuging. Der Platz zum Tanzen war knapp. Jeder Gang zur außerhalb gelegenen

Weitere Kostenlose Bücher