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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorit Kowitz
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Walzer. Heimlich hatte Paul den Vorteil unserer getrennten Leben im gemeinsamen ein letztes Mal genutzt, um mich zu überraschen. Er hatte es in Leipzig mit seinem Trauzeugen Jonas geübt, über Wochen hinweg. Zu Doris Days „Que Sera“ drehte er mich so souverän, dass beinahe ich auf seine Füße getreten wäre.
    Die Gesellschaft feierte bis drei Uhr morgens, der harte Kern sang bis fünf. Der Himmel war sternenklar, bei neun Grad. Aber ich habe die Kälte nicht gespürt.

Befruchten nach Legislaturperioden
    Ich bin über das Zustandekommen meiner Leibesfrucht, aus der gleich die erwähnten zwei Früchtchen geworden sind, zuvor etwas schnell und leichtfüßig hinweggegangen, weil die Sache mit der Vermehrung in einer Fernliebe natürlich viel mehr wert ist: Sie ist ein Kapitel für sich, im Wortsinn und im übertragenen. An dem Entschluss für oder wider Kinder scheitern manche Lieben neurotischer, ewig unerwachsener Großstädter sowieso schon, Fernbeziehungen aber erst recht. Milla hatte es gerade vorgemacht. Kaum war sie schwanger, hatte sie sich von Carsten getrennt, bevor er es tat.
    Es ist aber auch haarig. Zumindest für eine Weile bedeutet ein Kind für Paare wie uns, dass in Zukunft einer von beiden seine Stadt verlassen, darum zurückstecken, seinen Beruf ruhen oder ihn mindestens schleifen lassen muss. Und, wer wird das in der Regel sein? Eben. Millas Versuch, ausnahmsweise den Mann zu sich zu locken, war grandios gescheitert.
    Also, was tun? Auf die Gnade der Hormone hoffen konnte ich offenbar nicht. Mein 33. Lebensjahr war beinahe vollendet, aber anders als bei Nadja tickte in mir keine biologische Uhr. Ich hörte jedenfalls nichts. Anders als Milla hatte es mich überhaupt nicht gerührt, wenn Freunde ihre Blagen kuschelten und mit leuchtenden Augen deren tolldreiste Geschichten zum Besten gaben. Anders als Christine in München hatte ich mich nicht eben erst Hals über Kopf in einen Hamburger verliebt und darüber, ups, die Pille vergessen und, ups, einem Mädchen das Leben geschenkt und keinen Plan, was aus meinem Job würde.
    Ich sehnte nicht den großen, neuen Sinn, die Wende in meinem Leben herbei, wünschte nicht die Einmaligkeit der Verschmelzung Pauls und meines Genpools. Ich wusste bloß,anders als Helene, keine Kinder sind auch keine Lösung und wenn überhaupt ein Baby, dann nur mit dem. Glücklicherweise sah „der“ das ungefähr genauso, wobei Paul mir versicherte, es vollkommen zu verstehen, sollte ich gar kein Kind haben wollen. Das war ein wesentlich breiteres Fundament für die Zukunft, als manch andere Frauen und Männer in meinem Freundeskreis es unter sich wussten.
    Vielleicht darum ließen wir ab Rom die Vorsicht fahren und das Verhüten sein. Wir taten es so, wie es die Natur vorgesehen hatte, und wir fanden uns dabei: irgendwie mutig. Das war absurd. Sex ohne fühlte sich an, als ließen wir uns auf ein Abenteuer ein. Womöglich war das so, weil wir nicht wirklich dringend eine Familie gründen wollten, sondern sie nur in Kauf nahmen, so wie ein waghalsiger Broker den Verlust bei einer gefährlichen Aktienspekulation. Wir hatten nicht wirklich Schiss vor der Konsequenz. Wir wussten nur, wir setzten unser schönes geregeltes ungeregeltes Leben aufs Spiel. Erfreulicherweise machte das Ganze nebenher ein bisschen Spaß.
    Dass wir ab Rom durchluden, um es mit Pauls prosaischen Worten zu sagen, hatte nichts mit dem Vatikan nebenan zu tun, sondern mit ein paar ernsten Einsichten und ein paar unernsten und natürlich mit unserer gewissen Reife: Ich arbeitete seit bald fünfzehn Jahren in meinem Beruf und immer ziemlich genau da, wo es mir passte. Paul war seit zehn Jahren erfolgreich in der Gastronomie, einer ansonsten windigen Branche; beim Rating in den Banken rangierte sie jedenfalls kurz vorm Knast. Sich als Wirt zu behaupten und Ansehen zu verschaffen mit einem Café, einer Kneipe und einer Bar, jenseits großer Hotelketten und formatierter Systemgastronomie, war eine Kunst, auf die er sich offenbar zunehmend verstand. Es ging uns gut, wir hatten unsere kleinen Erfolge und lebten im relativen Wohlstand der unteren Mittelschicht – abgesehenvon der Petitesse, dass dieser Wohlstand in zwei verschiedenen Städten generiert wurde.
    Paul und ich hatten aber vor allem begriffen, dass es den perfekten Termin für eine Familiengründung in unserer Lage nicht geben wird oder besser gesagt: niemals geben kann. Wie denn auch, wenn der eine in Leipzig ist und die andere in

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