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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorit Kowitz
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redeten über ihren unerfüllten Kinderwunsch. Verängstigt nippte ich drei Stunden lang an meinem Glas Wein. Sonst kam ich eher auf drei Gläser in einer Stunde.
    Ich wartete noch einmal zwei Tage. Dann fasste ich mir ein Herz und kaufte einen Schwangerschaftstest. Ich fühlte mich wie eine Vierzehnjährige, die das erste Mal Sex gehabt hatte, unverhütet. Das Ergebnis war eindeutig, es gab keine Zweifel.
    Ein paar Tage später rutschte der Schallkopf des Ultraschallgeräts meines Gynäkologen auf meinem vollkommen flachen Bauch hin und her, der bis eben noch nur mir gehört hatte. Der Arzt sagte: „Och, ja. Ja, ja. Da haben Sie gleich richtig zugeschlagen. Das werden zwei. Sehen Sie, hier pulsiert sogar schon etwas.“ Er verharrte, sachlich, bei dem einen schwarzen Fleck auf dem Monitor, in dessen Kern etwas Weißes blinkte. „Und der andere? Doch, der andere auch, sehen Sie.“ Pulsieren auch da.
    Aha. Mein Bauch war jetzt offenbar bewohnt von zwei pulsierenden Etwasses.
    Dass ich allein in der Praxis in Berlin-Schöneberg war und Paul in Leipzig, versteht sich. Wir haben die Sache mit der Entfernung in jeder Beziehung durchgezogen. Ich rief ihn an und sagte einen Satz, der sonst in schlechten Filmen vorkommt:„Du solltest dich besser setzen.“ Er sagt: „Ich sitze sowieso“ und fragte, ohne weiteres abzuwarten: „Es werden Zwillinge?“
    Er wollte einen Scherz machen. Nun ja.
    Die Braut, die auf ihrer Hochzeit betrunken auf dem Tisch tanzen wollte, würde keinesfalls betrunken sein und das Kleid mit Sicherheit nicht zart und schmal in der Taille, wie eben noch gedacht.
    Oder sollten wir das Ganze verschieben? Wäre es besser, erst zu gebären, dann ein paar Monate zu warten und mit Babys im Arm zu heiraten? Aber nun war der Termin schon in der Welt, darunter auch ein paar lieben Kollegen bekannt gegeben. Die wiederum sollten nicht wissen, dass ich schwanger war, nicht jetzt schon, jedenfalls. Denn schwanger im Job übersetzen manche unwillkürlich mit: ist nicht mehr für voll zu nehmen und weint andauernd.
    Ich hielt Rat mit meinen Freundinnen. Milla, die das Programm Brüten und Gebären gerade durchlaufen hatte (ohne zu weinen), jetzt abstillte und gerade an einer Entzündung ihrer Nippel litt, sagte, sie würde es bei dem festgelegten Datum belassen. „In welchem Monat bis du dann? Ende fünften? Da geht’s einem richtig gut, noch nicht zu dick, jedenfalls nicht mit einem Kind darin.“ Sie lachte dreckig am anderen Ende der Leitung, um sogleich „autsch“ zu rufen. Es tat wohl recht weh.
    Nadja, die drei Monate zuvor ihren zweiten Jungen herausgepresst hatte, 4,5 Kilogramm schwer, darum mithilfe einer Saugglocke, beschwor mich am Telefon geradezu: „Mach es bloß vorher! Was hast du davon, wenn zwei halbjährige Blagen in der Ecke liegen, schreien, kacken und kotzen, während du Party machen willst?“ Sie wusste offensichtlich, wovon sie sprach. Im Hintergrund brüllte Rio wie am Spieß. Sie sagte, gehetzt: „Du, tschüss jetzt, ich muss stillen.“
    Ihr letzter Zuruf gab den Ausschlag: Lieber schwanger und alkoholfrei heiraten denn als milchgebende Mutterkuh.
    Nach dem Amt kam der ganze große Rest. Also alles. Jetzt blieb nur noch zu klären, wo wir hundert Leute unterbringen würden, ohne dass sie zu weit entfernt übernachten müssten, wann sie anreisen sollen, wer sie nachts zum Hotel führe, wann wir essen, was wir essen, wo wir das herbekämen, ob wir eine Band wollen und wenn ja, welche Musik sie macht, wer nachher zum Tanz auflegt, wer Reden hält, ob überhaupt Reden gehalten werden sollen, wer kellnert, wer Kinder bespaßt, wer Fotos macht, wie das Licht gut wird, ob der Stromkreis die Verstärker aushält, wo Paul seinen Smoking herbekäme, wer mir mein Kleid auf den unberechenbaren Leib schneiderte, wo die Tische und Stühle beschafft werden, ob es eine Tischordnung gibt, wie wir dem Regen trotzen, sollte der es wider Erwarten wagen, uns zu behelligen. Und vor allem, wie wir den Ort des Geschehens in einen Festsaal verwandeln: unsere riesige Scheune. Denn momentan war sie nichts als ein überdachter Schrotthaufen.
    Ich frage mich manchmal, warum wir so einen Aufwand betrieben hatten und, abgesehen vom Kochen, alles unbedingt nahe am Wahnsinn minutiös selbst planen, organisieren, herankarren, herrichten und dekorieren mussten – eine schwangere Braut mit einer Fünfzig-Stunden-Woche in Berlin und ein Gastwirt mit einer Fünfzig-Stunden-Woche in Leipzig. Andere Hochzeitspaare in

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