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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorit Kowitz
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Toilette trieb uns leicht gewandeten Damen Frostschauer über die Rücken. All die schönen Kleider waren bald nicht mehr zu sehen, weil dieFrauen die Smoking-Jacken ihrer Begleiter um sich schlangen und umhersaßen wie schwarze Raben.
    Wir waren wirklich gewarnt: Der mitteleuropäische Sommer ist nicht immer deiner, vor allem dann nicht, wenn du ihn dringend brauchst. Wir wollten es trotzdem wagen. Meine Cousine hatte irgendwo gehört, dass – statistisch gesehen – eines der schönwetterbeständigsten Sommerwochenenden das erste im August sei. Wir hatten das nicht nachgeprüft, wir glaubten es einfach, wie alle heiratswilligen Deutschen, die auf Sonne vor ihrer Haustür zocken und glauben.
    Wir legten mit der Planung los, keinen Tag zu früh, wie sich herausstellte. Eher viele Tage zu spät. Wir hatten zu registrieren: Anfang März sind in Deutschland schon die meisten Messen gesungen. Im März haben vorausschauende und brave Mitbürger mit einem geregelten Alltag dir nicht nur längst die besten Urlaubshäuser für die Flitterwochen in Südfrankreich vor der Nase wegreserviert. Sie haben auch alle, alle Hochzeitszimmer, -kammern, -türme und -säle im Zentrum Berlins, die nicht nach Amtsstube aussehen und dir gefallen, für sich gebucht, gebunkert, gefüllt, um dort im Sommer statt deiner Ja zu sagen.
    Uns blieb darum nur das schnöde Amt im Neuen Stadthaus Berlin-Mitte. Das ist ein unproportionierter Steinklotz aus den Dreißigerjahren, der noch einen NVA-uniformgrauen DDR-Putz aus den Siebzigern trägt. Und das Trauzimmer ist eingerichtet wie ein pseudo-modisches Esszimmer von Möbel-Höffner aus den pastellfarbenen Neunzigerjahren. Bevor man darin heiraten darf, da hat mich der deutsche Staat einmal mehr verblüffen können, muss man sehr penibel nachweisen, woher man stammt. Ob man also überhaupt heiraten darf . Die Deutschen sind da noch immer auf beängstigende Weise gründlich. Ich war äußerst froh, keine staatenlose Libanesin kurdischer Stammeszugehörigkeit zu sein. Was mussteeine solche Braut erst durchmachen? Meine eigene, echte, 33 Jahre zuvor bereits bezahlte deutsche Geburtsurkunde eines deutschen Amtes reichte jedenfalls nicht, um die deutsche Behörde meiner Existenz zu versichern, nein! Das eine Amt wollte vom anderen Amt eine beglaubigte neue „Abstammungsurkunde“, und die durfte nicht älter sein als ein paar Wochen. Es verstand sich von selbst, dass das Geld kostete. Es kostete ebenso extra, wenn man nicht in dem Berliner Bezirk heiratete, in dem man gemeldet war. Es kostete extra, dass man am Wochenende heiratete.
    Es war, als liefe man durch ein Spalier aus Behördlingen, und bei jedem Schritt nach vorn klappte der nächste seinen Arm vor dich wie einen Schlagbaum und hielt die Hand auf. Erst, wenn du ein Säckchen Gold hineingelegt hattest, gab der Behördling den Weg frei und es ging weiter. Jeder Wisch hatte einen Preis. Die ganze schöne rare Freizeit, die man damit zubringen musste, das Zeug zusammenzusammeln aus allen Landesteilen, war den Amtsträgern eh schnuppe.
    Es gibt sicher Paare, die höhere Hürden zu überwinden haben als wir, wenn sie in diesem Land heiraten, wobei mir nur wenige härtere Konstellationen einfallen: Verlobte aus zwei Nationen, einer der Partner käme aus einem Nicht-EU-Entwicklungsland, bangte dort noch um seine Einreise nach Deutschland und wünscht sich zur Trauung eine buddhistische und katholische Zeremonie gleichzeitig.
    Irgendwann hatten wir die Papiere aus Berlin, Köln-Porz, Leipzig-Zentrum und dem Chiemgau zusammengeklaubt, ein paar hundert Euro dafür geblecht und uns erschöpft gefragt, wofür eigentlich noch mal Steuern da waren. Uns fiel ein, vermutlich für die Autobahnen, durch deren nicht enden wollende Baustellen Paul immer zu mir fuhr. Oder, unsere Abgaben flossen in das Schienennetz, das 2005 noch so schlecht war, dass der Zug nach Leipzig zwei Stundenbrauchte und der Zug nach Hamburg länger als vor dem Zweiten Weltkrieg.
    Um mich endlich des Schönen am Heiraten zu versichern, probierte ich in den immer edler werdenden Boutiquen der Friedrichstraße weiße und cremefarbene Fummel an. Die Mode der Saison war fantastisch, und einer der Fummel ließ mein Herz hüpfen, er passte und war genauso, wie ich mir mein Kleid vorstellte. Aber ich scheute mich, ihn zu kaufen. Irgendetwas stimmte nicht mit mir. Und mein Körper war noch nie irgendwie unpünktlich.
    Abends traf ich mich mit Merle bei einem Italiener in der Oranienstraße, wir

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