"Kommst du Freitag"
gesehen und staunten ehrfürchtig meinen Bauch an, der mittlerweile jeden Raum quasi eine halbe Minute vor mir betrat. Gleich drei fragten, ob es wohl bald losginge? Ich antwortete, „nein, erst in drei Monaten“.
Einer der Männer, zweifacher Kleinkindvater, zog die Brauen hoch und stotterte nur: „Oha!“ und „Respekt!“
Oha. Besser hätte ich es nicht sagen können, Umfang: 101 Zentimeter in Woche 27.
Babys da, Vater weit, Mutter wohnungslos
Der Tag, an dessen Ende ich mich zu Fuß ins Krankenhaus einlieferte, selbstverständlich allein, begann mit strahlendem Sonnenschein. Unsere Hochzeit lag sieben Wochen hinter uns, die missglückte Flitterwoche auf dem Darß sechs Wochen. Ein fremder Hund hatte mich am Strand gebissen, das teure Hotelzimmer war winzig gewesen und kalt war es obendrein. Aber sonst schien alles gut, wir waren Mann und Frau geworden und hatten trotzdem nicht die Scheidung eingereicht. Erst vorgestern hatte mein Arzt befunden, die Kinder in mir gediehen prächtig, und ich machte meine Sache gut, ich könnte normal weiterarbeiten, solange ich mich wohl fühlte.
Umso besser, denn ich hatte heute viel vor. Vormittags würde ich mit dem Zug in die Uckermark fahren, um dort einen bayerischen Bundestagsabgeordneten der CSU auf seinen Erkundungen in die Naturschutzgebiete zu begleiten und dabei Interviews über das Grüne im Konservativen führen. Am Nachmittag wollte ich dann einen Parteichef der Grünen treffen, um bei ihm wiederum nach konservativen Spurenelementen zu forschen.
Nur musste ich mir frühmorgens in meinem Apartment eingestehen, dass etwas nicht in Ordnung war. Eigentlich war es mir schon am Abend zuvor aufgefallen, nach meiner ersten Sitzung in diesem entsetzlichen Geburtsvorbereitungskurs.
Dass ich dort ohne Mann antrat, versteht sich von selbst. Aber abgesehen davon, dass Paul zwei Autostunden entfernt wohnte, war ich nicht erpicht darauf, ihn beim Gebären lernendabei zu haben. Was ich noch nicht wusste: Dieser erste Termin bei der hochtonig säuselnden Hebamme Juliane würde auch mein letzter gewesen sein. Immerhin darüber war ich im Nachhinein kein bisschen traurig. Denn das Setting dieses Hechel-Kurses enthielt alle Zutaten, die mich zutiefst abschreckten.
Am Abend zuvor hatten dort acht Paare gesessen und ich. Die werdenden Mütter waren allesamt Erstgebärende (wie ich) und hatten dieses selige Leuchten in den Augen, wie ich nicht. Ihre Männer und Gefährten hatten natürlich mitzuleuchten. Sie saßen selbstverständlich hinter ihren Damen und begrabbelten deren Bäuche. Ich fand das gruselig. Aber ich will nicht ungerecht sein. Vielleicht war ich über meine eigenartige Lebensform einfach etwas zu rüde und junggesellig geworden, um das auch nur irgendeiner Form akzeptabel statt lächerlich zu finden.
Hebamme Juliane gab uns ein Wollknäuel. Das sollten wir aufnehmen, dann sagen, wie wir heißen und was da in unserem Bauch wohnt, um sodann den Faden festzuhalten und das Knäuel dem nächsten Muttertier zuzurollen. Am Ende waren wir alle vernetzt, mit Wollfäden. Alle lächelten noch mehr.
Ich versuchte, Fassung zu bewahren.
Es war unglaublich. Was haben Schwangere denn mit Katzengebaren und Kindergarten-Spielen zu tun? Wird man als gaga vermutet, weil man sich fortpflanzt? Jetzt ahnte ich allmählich, woher all die Vorurteile und Altherrenwitze meiner älteren männlichen Kollegen und Chefs stammten. Aus Nachrichten über völlig verpeilte Runden wie dieser!
Wenn Paul da gewesen wäre, hätten wir die Veranstaltung gesprengt mit garstigen Witzen und fortwährendem Gelächter. Aber ich war allein und machte darum gute Miene. Ich hielt das Knäuel in meinen Händen und sagte, ich bekämeZwillinge. Applaus brandete auf. So, als sei das schon eine Leistung an sich. Gott, was sind die Leute nett! Insgeheim entschied ich mich in dieser Minute für einen Kaiserschnitt unter allen Umständen und gegen jegliches Pekip-Gedöns nach der Geburt. Das hätte keinen Sinn, es war einfach nicht mein Ding.
Hebamme Juliane erzählte uns an jenem lauen Herbstabend vom Fruchtwasser, was es damit auf sich hat und wie es uns in einigen Wochen verlassen würde, per Blasensprung, ein, zwei Tage vor der Geburt oder eben währenddessen.
Noch am selben Abend tröpfelte ich, wo ich nicht tröpfeln sollte. Am nächsten Morgen tröpfelte ich immer noch. Nicht eklig, klar, geruchlos, wie Fruchtwasser. Julianes Worte hallten nach. Ich wollte nicht glauben, dass es das sein könnte. Ich war
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