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"Kommst du Freitag"

"Kommst du Freitag"

Titel: "Kommst du Freitag" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorit Kowitz
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den Mann in Reichweite hatte. Vielleicht weilte ich dann auf einem verzweifelten SPD-Parteitag? Ich mutmaßte (und hoffte), auch angesichts der langjährigen fruchtlosen Versuche vieler Freunde, dass uns allerhand Zeit blieb.
    Es dauerte vier Wochen.
    Was für ein Glück! Was für ein Schreck! Schön! Scheiße!
    Zwei Wochen nach dem ersten Ultraschallbild warf der damalige Bundeskanzler enerviert die Brocken hin und zwang Neuwahlen herbei. Sie sollten im Herbst stattfinden, ein Jahr eher als regulär und wenige Tage bevor ich in denMutterschaftsurlaub gehen sollte. Das bewies uns, wir hatten unsere Sache gut gemacht. Es gab für uns einfach keinen richtigen Zeitpunkt, um Kinder zu kriegen. Es gab nur lauter falsche, darum war jeder gut gewählt.
    Der Arzt rechnete den 22. Dezember für die Niederkunft aus. Auf unserem Dorf in Brandenburg wurde das vom Bauern in der Nachbarschaft mit dem Spruch bedacht: „Wer Ostern mit die Eier spielt, hat Weihnachten Bescherung.“ Man muss sich viel anhören, wenn man brütet, besonders ab dann, wenn die Frucht „seiner Lenden“ an dir nicht mehr zu übersehen ist. Der Spruch vom Bauern war noch der ehrlichste und lustigste.
    In der Redaktion sagte ich so lange wie möglich nichts. Denn ich wollte so kurz wie möglich als halbe Kraft, als wandelnde Hormonbombe, als brütender Bauch mit angeschlossenem Kopf wahrgenommen werden. Es war Intuition, vielleicht nicht immer die beste.
    Einmal, gegen Ende des dritten Monats, fuhr mich ein alternder Reporter wegen irgendetwas an, unvermittelt und grundlos; unser Chefredakteur stand gerade „zufällig“ daneben. Ich hielt lautstark dagegen (der Chefredakteur glücklicherweise auch) – und ich musste zusehen, dass ich schnell das Zimmer floh. Denn ich bekam diesen Anfall von Atemnot, wie schon zweimal zuvor während der Schwangerschaft. Mir blieb im wahrsten Sinne des Wortes die Luft weg. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch, schloss die Tür, hechelte beklommen und ging in mich. Hätte der alte Redakteur gewusst, wie es um mich stand, hätte er vermutlich an sich gehalten. Mist! An diesem Abend wäre ich gerne nicht allein gewesen.
    Kotzanfälle, wie sie frisch-schwangere Frauen in deutschen Filmkomödien immer kriegen müssen, peinigten mich nicht. Ich litt nur an Völlegefühl, Sodbrennen, Ischiasschmerzenund schlechtem Schlaf. In Berlin häuften sich dieser Tage Empfänge, Feste und Business Lunches, ausgerechnet jetzt. Bei den regelmäßigen Presse-Mittagessen eines Bundesministers in „Sarah Wieners Speisezimmer“ musste ich jedes Mal schon nach den Antipasti passen, wollte ich das zweistündige Treffen lebend überstehen. Ich hatte nicht mal Heißhunger auf irgendetwas.
    Auf die selig machende hormonbedingte Gelassenheit und Vorfreude wartete ich vergeblich, bis zum Ende der Schwangerschaft. Mein Bauch war bewohnt, mein Kopf der alte. Wenigstens sah ich blendend aus. Fanden Paul und ich.
    Als der vierte Monat sich dem Ende zuneigte, merkte ich, lange kann ich es nicht mehr verbergen. Ich hatte nicht nur rosige Wangen und die feinste Gesichtshaut seit meiner Kindheit. Auch die Ausbuchtung meiner Körpermitte nach vorne war kaum noch zu kaschieren. Eine Redaktionsassistentin scannte jeden Tag aufmerksamer meine zunehmend legere Kleidung. Ich weihte endlich meinen Büroleiter ein, und er tat etwas, was mich verwunderte und zunächst auch freute: Er gratulierte mir nicht nur, sondern umarmte mich herzlich.
    Allerdings blieb ich skeptisch. Würde er mir auch zur Seite stehen, wenn die Kinder erst da waren? Mein Argwohn sollte sich eineinhalb Jahre später als berechtigt erweisen.
    Kaum hatte ich die Wahrheit auf den Tisch gepackt, schoss mein Bauch nach vorne. Kaum war der Bauch nach vorne geschossen, wurde ich mit den befürchteten Klischees konfrontiert. Als einer unserer Chefs ein neues Konzept für ein Foto-Magazin des Verlages vorstellte, kritisierte ich nüchtern ein Bild daraus, auf dem ein Bombenopfer geradezu anatomisch genau abgelichtet worden war. Denn es war kein sonderlich gutes Foto, sondern Splatter-Trash. Ich wusste, andere Kollegen hatten genauso Probleme damit. Aber nur zu mir sagte er, mit süffisantem Unterton: „Das hat vielleicht etwas mitIhrer momentanen Lage zu tun. Da sind Sie wohl besonders empfindlich.“ Anstatt ihm eine reinzuhauen (worauf ich, trotz „anderer Umstände“, einen Augenblick lang nicht übel Lust hatte, aber so was tut man ja nicht), sagte ich, desavouiert: „Nein, das hat nichts mit

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