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Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Titel: Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)
Autoren: Nicole Krauss
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wecken. Hier ist Samson.»
    «Hmm? Wie spät ist es?»
    «Keine Ahnung – halb vier vielleicht.»
    «Ich schlafe.»
    «Ich weiß, tut mir Leid. Möchtest du dich wieder hinlegen, oder können wir einen Augenblick reden? Es muss nicht sein.»
    Lana stöhnte, aber Samson meinte, sie das Licht anknipsen zu hören. «Na schön. Wie geht’s?»
    «Ganz gut. Hast du schon von diesem Typ gehört, der die großen Werke der Weltliteratur in die DNA von Kakerlaken verpflanzen will?»
    «Was für ein Typ?»
    «Na dieser Typ, dieser Wissenschaftler. Ich habe im Museum darüber gelesen. Er will berühmte Bücher in DNA-Code übersetzen und auf Kakerlaken übertragen. Bei der Fortpflanzung geben sie das Buch weiter, und zu guter Letzt, wenn eine nukleare Katastrophe uns alle, wie wir da sind, von der Erdoberfläche gefegt hat, werden diese unausrottbaren Schaben die Träger der westlichen Zivilisation sein.»
    «Mein Gott», hauchte sie ins Telefon. Er beglückwünschte sich insgeheim dazu, ihr Interesse geweckt zu haben.
    «Sie rechnen sich aus, dass es nur vierzehn Jahre dauern wird, bis alle Kakerlaken in Manhattan Archivträger sind. Es gab ein Diorama von ein paar toten Versuchskakerlaken, die nicht durchgehalten haben.»
    Lana schwieg am anderen Ende.
    «Stell dir vor, man könnte das mit Menschen machen», sagte sie schließlich. «Tattoos oder DNA mit Goethe oder vielleicht Shakespeare oder Proust, sodass wir mit den Erinnerungen, die von der Madeleine aufsteigen, oder dem Kopf voller Hamlet geboren würden.»
    «Kleinkinder, die beim Laufenlernen sagen: ‹Sein oder nicht sein›.»
    Lana kicherte.
    «Weißt du, wie Kakerlake auf Spanisch heißt?», fragte Samson.
    «Nee.»
    « La Cucaracha. In der Subway gibt es ein Plakat zum Thema Asthma, manchmal auf Englisch, manchmal auf Spanisch. Das mit den Kids, die herumsitzen und aufzählen, wovon man Asthma bekommt: El polvo! La polución! Las cucarachas!»
    «Hab ich auch gesehen. Was ist, warum flüsterst du?»
    Eine Sirene schrillte auf und verebbte in der Ferne, ein Signal für jemandes anderen Not.
    «Weil es hier im Zimmer dunkel ist. Und ich will Anna nicht wecken.»
    «Wie läuft es denn?»
    «Nicht besonders. Ich glaube, ich habe sie vor den Kopf gestoßen, und jetzt spricht sie immer weniger mit mir.»
    «Was willst du tun?»
    «Ich weiß nicht.»
    «Was hat Dr.   Lavell gesagt?»
    «Lavell? Lavell gibt keine Ratschläge. Er sagt, Kunstfehler beim Ratgeben kämen einen Arzt fünfmal so teuer zu stehen wie bei einer Kraniotomie. Woher wissen Lachse, dass sie flussaufwärts schwimmen müssen, um zu laichen und zu sterben? Solche Sachen sind es, über die ich mit Lavell sinniere.»
    Lana erzählte ihm, in drei Wochen, sobald das Semester um sei, gehe sie zu den Filmkursen nach Los Angeles. Samson nickte, ohne zu merken, dass sie ihn nicht sehen konnte.
    «Hallo?»
    «Hallo.»
    «Wie findest du das, wenn ich nach L.A. gehe?»
    «Wie ich das finde? Ich finde, du hast Glück, das ist toll. Wahrscheinlich wirst du ein großer Star.»
    «Ich möchte Regie führen.»
    «Immer noch.»
    Samson erzählte ihr von einer Tante, die ein Date mit Jerry Lewis gehabt hatte, damals, nachdem er Dean Martins Kindskopf geworden war, aber bevor er fett in Vegas endete, mit einem Haus so kitschig wie Plüschwürfel im Auto.
    «Was weißt du übers Klonen?», fragte er, aber es kam keine Antwort vom anderen Ende der Leitung, nur regelmäßige Atemzüge. «Apollo ruft Houston», sagte er, «Apollo ruft Houston.» Ein paar Minuten lauschte er ihrem Atem, dann legte er behutsam auf. Wenn das nichts ist , hatte Armstrong zu niemandem persönlich gesagt, als er die ersten trägen Schritte auf dem Mond tat.
    In der hinteren Ecke des Zimmers bewegte der Hund im Schlaf seine Pfoten, wie beim Wassertreten.

A ls er fortging, war nicht viel mitzunehmen. Ein paar Tage vorher hatten sie die ganze Nacht geredet. Im ersten Morgengrauen hatte Anna kerzengerade auf einem Stuhl an der Wand gesessen, während Samson am Fenster stand. Sie hatten beide zu viel gesagt, und der Raum nahm die dumpfe Geschlossenheit eines Krankenzimmers an. Es war Anfang Dezember, und als Samson das Fenster aufriss, strömte ein Schwall eiskalter Luft herein. Anna fröstelte. Irgendwann in der Nacht hatte sie ihm gesagt, zum Teil sei er genau der Alte, und sie liebe ihn immer noch. Es gebe Momente – meistens, wenn er sich ihrer Gegenwart nicht bewusst sei –, da habe sie das Gefühl, er sei wieder bei ihr wie früher.
    «Aber
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