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Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition)

Titel: Kommt ein Mann ins Zimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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ich zurückkomme. Hier sind meine Kinder groß geworden. Es gibt Erinnerungen.»
    «Klingt beinahe wie eine Last.»
    Ray schwenkte den Teebeutel hin und her, ehe er ihn aus der Kanne fischte. Er blickte zu Samson auf. «Die Erinnerungen oder das Haus?»
    «Beides.»
    «Es ist unversöhnlich. Man bewegt sich in lauter rechten Winkeln. Aber ich empfinde viel Wärme für dieses Haus. Wie für eine geliebte Frau, die einen jahrelang abgewiesen hat und der man irgendwie dankbar ist, weil man merkt, dass sie dem eigenen Leben Gestalt verliehen hat.»
    Samson ließ die Aussicht auf sich wirken. Er fragte sich, ob es eine andere Frau gegeben hatte, vor Anna, eine, die er geliebt und die ihn verschmäht hatte. Wenn ja, waren ihre Spuren verloren wie alles andere. Er schirmte die Augen gegen die blendende Sonne ab.
    «Ihre Forschung, machen Sie die in der Wüste?»
    «Richtig, in Nevada.»
    «Was ist dort?»
    «Nichts – verkümmertes Gestrüpp, niedrige Gebäude: Bordelle, Casinos und Militärbasen. Billig und keine Nachbarn.»
    Jetzt mochte Samson fast glauben, er sei wirklich in einem Film, ein Typ, cool und gelassen wie Bogart, durch nichts zu schockieren. «Soll ich lieber keine Fragen stellen? Ich nehme an, was Sie machen, ist legal.»
    Ray lachte. «Und wie.»
    «Verstehen Sie mich nicht falsch, Sie machen einen sehr achtbaren Eindruck.» Samson blickte verlegen beiseite. Er hatte gleichziehen, dem Doktor das Gefühl geben wollen, nichts Menschliches sei ihm fremd. Stattdessen war es naiv aus ihm herausgekommen. «Ich glaube, Sie sind ein guter Mensch, Ray. Keine Nachbarn, sagten sie.»
    «Danke, ja. Wir haben ein Labor da draußen, eine ziemlich umfangreiche Anlage für ein einziges Projekt.»
    «Ihr Projekt?»
    «Könnte man sagen. Eine Sache, an der ich jahrelang gearbeitet habe. Aber jetzt sind wir ein ganzes Team. Wissenschaft wie diese, mit dem Niveau, auf dem wir arbeiten, verlangt unglaubliche Kooperation. Experten, die ihr Wissen zusammentun.» Er hob die Tasse an die Lippen und schluckte, ohne Samson aus den Augen zu lassen. Als er weitersprach, senkte er die Stimme. «Wir tüfteln da etwas wirklich verdammt Spannendes aus. Dringen in einer nie dagewesenen Weise ins Gehirn ein. Eine schöne Sache.»
    «Und was ist es genau? Das Projekt? Ich vermute, das ist die Zwanzig-Millionen-Dollar-Frage, stimmt’s?»
    «Hundert-Millionen.»
    «Was?»
    Ray lächelte. «Eine Hundert-Millionen-Dollar-Frage. Aber ja, fragen Sie, ich werde Ihnen erzählen, was Sie wissen wollen. Man bekommt keinen Anruf, alles fallen zu lassen und auf die andere Seite der USA zu fliegen, ohne eine gute Antwort, warum.»
    «Gut. In Ordnung.» Samson hob ruckartig den Kopf, irgendwie erleichtert, obwohl er sich nicht sicher war, warum. Er spürte, dass Ray auf seiner Seite war, und jetzt wollte er unbedingt auf Rays sein. «Viel war da nicht fallen zu lassen. In New York habe ich nichts gemacht.»
    «Umso besser für uns beide. Dann habe ich Sie ja genau zur richtigen Zeit gefunden. Und nebenbei, ich würde wirklich gern ein wenig über Sie reden. Ich halte Sie nämlich jetzt für einen höchst ungewöhnlichen Experten in Sachen Gedächtnis. Was sagte ich gestern Abend, Sie könnten das in einen Urlaub verwandeln? Ich nehme es hiermit zurück. Sie sind nicht aus dem Schneider, bis Sie mir erzählen, wie es in Ihrem Kopf aussieht. Sagen wir, das schulden Sie mir.»
    Samson hob glücklich seine Tasse und kippte den Rest Tee herunter.
    «Was ist das eigentlich für ein Zeug?»
    «Distel. Wie wär’s mit einem Spaziergang?»
    Die Luft war schon warm, ein spätwinterlicher Morgen in Kalifornien, wo Schnee nur fällt, wenn man eine Plastikkugel schüttelt, um das Krippenspiel zu berieseln. Unterwegs sahen sie kamerabewachte Einfahrten, frei stehende Skulpturen, Formschnittgärten. Ein Mann fuhr in einem roten Cabrio vorbei, die Hand im Fahrtwind aus dem Fenster hängend, während die Stereoanlage Stevie Wonder, Very Superstitious, spielte.
     
    Am nächsten Tag saß Samson schwitzend und allein hinten in einem Taxi. Der Asphalt strahlte Hitze aus, es brodelte unter der Riesenstadt. Sie krochen durch den Mittagsverkehr über die Schnellstraße, und er versuchte in anderen Autos Stricher und Sternchen zu entdecken. In Gedanken spulte er zurück, was Ray ihm erzählt hatte, eins nach dem anderen. In der Mönchstradition sei die Wüste ein heiliger Ort von gleichzeitigem Sein und Nichts, hatte Ray gesagt. Eine Stätte der Prüfung, wo der Sinn für

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