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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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schwieg.
    »Was war mit Madi?«, fragte Heinzmann, indem er sich Mühe gab, nicht drängelnd zu werden.
    »Gestorben ist sie doch. Vor zwei Tagen. Das arme Mädchen.«
    Heinzmanns Kinn fiel hinunter. Sein Mund stand offen. Er erstarrte. Dann – er sprach stockend – fragte er die alte Frau, was er unbewusst doch schon verstanden hatte. »Wie ist sie gestorben?«
    »An einer Überdosis.«
    Heinzmann schlug mit seiner rechten Faust auf seine Stirn, und ein erstaunter Fluch kam aus seinem Mund »Oh, verdammt. Madleina Brügger.« Er drehte sich ergriffen zu Baumer. »Madi Brügger. Mein Fall. Ich war da.«
    »Sie waren da. Oh. Oh«, sagte die Alte, zog ihr Taschentuch und führte es an die Stelle zwischen Nase und Auge, dort wo unweigerlich dicke, salzige Tränen hervorquellen würden.
    Heinzmann rapportierte Baumer: »Vor zwei Tagen ist sie in der Toilette der Bar Rouge auf dem Messeturm gefunden worden. Tot. Höchstwahrscheinlich Drogen. Das wird erst die Obduktion mit Sicherheit ergeben.«
    Die Amadio begann zu schluchzen. So wie es alte Menschen tun. Nicht hemmungslos. Eher abgeklärt und anständig zugleich.
    Heinzmann erzählte weiter, indem er den Kopf immerzu leicht hin und her bewegte wie ein eingesperrter Elefant. Seine Lippen zogen dabei fast schmerzhaft Richtung Kinn. »Sie war ein schönes Mädchen. So ein schönes Mädchen.« Er riss seinen Hut herunter und schluckte schwer. »Sie sah gar nicht aus wie eine Drogensüchtige.« Er hielt seine Mütze wie ein Bettler. Dann fragte er die alte Frau Amadio, so formell, wie es ihm möglich war, obwohl er die Antwort ja bereits kannte: »Hat Toni Herzog Madleina Brügger geliebt?«
    Die alte Frau hatte ihr Taschentuch über die Nase gestülpt. Mit beiden Händen das Tuch haltend, schnäuzte sie ihre triefende Nase, fasste das Tuch mit einer Hand. Wischte mit dem Tuch von links nach rechts unter der Nase durch. Dann mit der anderen Hand das Tuch haltend von rechts nach links. »Ja«, bestätigte sie schnupfend. Dann zog sie die Nase hoch, nickte und sagte: »Mehr als das.«
    Baumer saß schweigend da und dachte nach, versuchte diese neuen Informationen zu ordnen. Der Tod von Madleina hatte ihn nicht übermäßig hergenommen. Ein junges Mädchen. Schön war es. Jetzt ist es tot. Das kann es geben. Man liest so viel über schöne junge Tote in den Zeitungen. Irgendwann stumpft man ab. Vielleicht verdrängt man auch nur. Baumer interessierte sich auf jeden Fall nur so weit für Madleina, wie es für seine Untersuchung von Bedeutung war. Er versuchte, sich auf die Fakten zu konzentrieren. Das war bei dem Schluchzen von der alten Amadio gar nicht so einfach.
    Schließlich fasste Baumer für sich die Geschichte zusammen: Tonis Freundin stirbt an einer Überdosis. Toni verkraftet den Verlust nicht. Dreht durch. Ein Unbeteiligter wird in Mitleidenschaft gezogen. Ein zufällig anwesender Geschäftsmann greift ein. Geisel befreit. Ende. Aus. Fall gelöst. Die Geschichte kann ad acta gelegt werden.

    *
    Auf der Straße, vor dem Haus, in dem Toni Herzog gewohnt und für Frau Amadio manchmal die schwere Einkaufstasche nach oben getragen hatte, standen zwei Basler Polizisten. Der eine trug Uniform. Der andere nicht. Beide sprachen miteinander und erörterten, was sie gehört hatten.
    Heinzmann sagte zu Baumer: »Das erklärt, warum Toni Amok läuft. Was meinst du?«
    »Ja«, antwortete Andi Baumer seinem Freund. »Das macht Sinn.«
    »Sinn? Wer weiß. Logisch nachvollziehbar ist es allemal. Toni liebt Madleina. Madleina stirbt. Toni dreht durch. Ein zufälliges Opfer muss dran glauben.«
    »Das erklärt vielleicht auch, warum Toni die Bedienung im Bistro immerzu Schatz nannte. Sie muss ihn an seine Madleina erinnert haben.«
    »Das könnte hinkommen«, pflichtete Heinzmann bei.
    »Könnte.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ach, ich weiß auch nicht«, rumorte Baumer drauflos. »Warum hast du nicht schon vor zwei Tagen das Umfeld dieser Madleina gecheckt?«
    Heinzmann wusste, dass das kein persönlicher Angriff auf ihn war. Er kannte Andi seit vielen Jahren, und die Zeit, als sie sich gemessen hatten, war lange vorbei. So antwortete er auch nicht, um sich zu rechtfertigen, sondern beantwortete einfach Baumers Frage. »Am Abend konnten wir nur die Personalien des Mädchens feststellen. Es ist um 2 Uhr 30 von der Putzequipe – zwei Serbinnen – gefunden worden. Die Tür war von innen mit dem Schlüssel verschlossen gewesen. Der Notarzt meinte, dass alle Anzeichen eindeutig auf

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