Kommt Schnee
sagte nichts. Dachte nach. Dann richtete er sich auf. »Was sagst du?«
»Wie du das herausgefunden hast?« Heinzmann sah Baumer besorgt an, als dieser nicht sofort antwortete.
»Hhmm.«
»Genau. Hhmm. Verdammt. Los! Sag!«
Baumer erklärte es Heinzmann. Es war für einmal ganz einfach. Heinzmann hatte es schon richtig gesehen. Drogensüchtige sterben nicht in Rabatten. Sie sterben auf dem Klo. Manchmal auch im Bett. Selten in unbeleuchteten Hausecken. Aber sicher nicht verkrümmt in Rabatten. Halb im Gebüsch, halb mit den Füßen auf dem schneebedeckten Rasen liegend.
»Ja. Das stimmt. Das hätte ich auch merken sollen. Bin ja nicht blöd.«
»Nein. Blöd bist du nicht.«
»Nein. Blöd bin ich nicht.«
»Schön auch nicht.«
»Schön auch nicht. Aber schöner als du!« Beide lachten herzhaft. Maja lachte mit.
6
Samurai-Toni war Baumers Mann. Der musste Priorität haben. Er war, das fühlte Baumer tief unten in seinen Eingeweiden, ein Faden in diesem Netz, in dessen Zentrum eine große Spinne saß. Auf diese Spinne hatte es der Kommissar abgesehen. Also meldete er sich über Funk bei der Dispo und ließ sich die Adresse von Toni geben. Dann rief er Heinzmann an, verabredete sich mit ihm und ließ sich von ihm zu Tonis Wohnung an der Rotbergerstraße fahren.
»Kommst du mit hinein?«, fragte Baumer den erfahrenen Sergeanten.
»Soll ich?«
»Komm! Kann nicht schaden.«
Also setzte Heinzmann seinen Mercedes entlang der parkierten Autos in der Rotbergerstraße zurück und stellte ihn direkt hinter die Parkfelder ins Halteverbot. Es war Heinzmann zu dumm, viel Zeit darauf zu verschwenden, irgendwo einen freien Platz zu suchen. Der Mercedes stand sogar ein Dutzend Dezimeter auf die Kreuzung hinaus, aber das störte sowieso niemanden in diesem besseren Wohnquartier von Basel, wo allabendlich die Parkfelder mehr als rar waren.
Neben einer Klingel an Tonis Wohnhaus in der Rotbergerstraße stand der Name Toni Herzog auf einem Schildchen. Das war Tonis ganzer Name. Baumer läutete. Keine Antwort. Niemand zu Hause. Heute nicht und auch morgen nicht. Baumer versuchte es bei den anderen Bewohnern. Das Haus schien ausgestorben. Erst bei »H. Amadio-Meier« war er erfolgreich, denn nach kurzer Zeit summte der Türöffner. Baumer und Heinzmann traten ein. Sie hörten, wie im Korridor im ersten Stock ein Schloss mit dem Schlüssel geöffnet wurde und eine Türfalle gedrückt wurde. Baumer nahm die Treppe im Schwung. Die alte Holzstiege knirschte gewaltig. Oben angekommen, sah Baumer eine mit Milchglasscheiben verzierte Wohnungstür einen Spalt weit geöffnet. Eine etwa 80-jährige Frau streckte ihren Kopf hinaus. Ihre Haare waren graumeliert und durch schwarze Haarspangen akkurat zusammengesteckt. Die Tür war mit einer Kette gesichert, die sich vor dem Hals der kleinen Frau spannte.
»Grüezi«, sagte die Alte mit einer hohen Stimme als wäre sie eine 12-Jährige. »Sind Sie auch von der Presse? Ah. Halt. Da kommt ja noch ein Polizist. Also Polizei. Sind Sie von der Polizei?«
»Ja«, antwortete Baumer. »Ich bin Kommissar Baumer. Freut mich, Frau Amadio.« Dann zeigte er auf seinen uniformierten Kollegen, der hinter ihm heraufgekommen war. »Das ist Wachtmeister Heinzmann.«
Um die Sicherheitskette zu lösen, musste die Rentnerin die Tür zunächst wieder schließen, öffnete sie dann aber mit solchem Schwung, dass sie dabei fast das Gleichgewicht verlor. Jetzt ging sie rückwärts und bat mit beiden Armen gleichzeitig rudernd die zwei Basler Polizisten freundlich herein. »Bitte, kommen Sie nur, meine Herren.« Sie blieb mit leicht gehobenen Armen stehen, wie ein Kind, das seine allerersten Schritte getan hatte. Ihre Beine waren stummelig und formten einen ovalen Kreis, über den ihr Kleid spannte. Baumer zögerte nicht einzutreten, obwohl ein Besuch vielleicht verlorene Zeit war und nur das Gemüt der Frau aufheitern würde. Wahrscheinlich würden sie keine neuen Erkenntnisse gewinnen.
Nur.
Die Frau erinnerte ihn an seine Großmutter aus Zeglingen. Sie war ordentlich und sauber gekleidet, grad so wie seine Oma, wenn sie in die Stadt ging. Und mit Stadt meinte sie nicht Basel, auch nicht Liestal, die Kantonshauptstadt von Baselland. Wenn die Zeglingerin von der Stadt sprach, dann meinte sie Sissach, dieses verschlafene Kaff im Oberbaselbiet, wo vor hundert Jahren die Bauern ihre Kühe auf den Markt führten.
Baumer und Heinzmann setzten sich in ein fast nagelneues Sofa. Der Kommissar vermutete, dass Frau
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