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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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er von der Handlung gepackt werden und sich der Illusion einer perfekt gebügelten Welt hingeben. Aber Baumers Film war nicht perfekt. Baumers Kopie des Bistrofalls war eine alte, springende Kopie. Der Film war zu ruckelig. Zu kitschig war er sowieso.
    Baumer nahm einen Schluck Italianità aus dem Espressotässchen Nummer eins und entschied sich dranzubleiben. Einfach so. So wie man Pizza Napoli bestellt, wenn man geringen Hunger hat. Margherita wäre auch gut gewesen. Oder gar nichts essen. Aber an diesem Tag nimmt man Pizza Napoli. Warum man das eine gewählt hat, doch das andere nicht, weiß man nicht. Es hätte auch genauso gut umgekehrt herauskommen können. So wie eine Münze fällt. Kopf oder Zahl. Beides ist gleich wahrscheinlich. Es war wie mit den zwei Espressi, die Gianni ihm hingestellt hatte. Einer wird getrunken. Einer wird stehen gelassen. Welcher wird getrunken? Welcher wird stehen gelassen?
    Baumer rief bei der Brille an. Fragte Rolf Danner, was er bisher über Toni in Erfahrung gebracht habe. Darin war Danner perfekt. Ein Spürhund, der nie lockerließ und von niemandem hinters Licht geführt werde konnte. Danner erzählte von Tonis Rockerbande. Diese Gang hatte er besuchen wollen, war aber nicht an sie rangekommen.
    Baumer ließ sich von Danner die Adresse geben. Die Garage lag an der Güterstraße. Der Kommissar notierte die Nummer.
    »Was willst du dort? Warum ist das wichtig?«, fragte Danner.
    »Später«, vertröstete ihn Baumer.
    »Ja, ja, später ist der Danner dann ...«
    Baumer unterbrach Danner und wiederholte in gleicher Lautstärke: »Später.« Er klickte Danner weg. Dann stürzte er seinen Espresso hinunter. Den von Maja ließ er wie immer stehen. Weil er den letzten Schluck zu schnell genommen hatte, bekam er einen kräftigen Teil des Kaffeesatzes in den Mund. Ekliges Geschmiere blieb in seinem Mund zurück. Er spuckte schwarze Krümel in eine Papierserviette und wischte sich Zungenspitze und Lippen ab.
    Fünfzehn Minuten danach stand er vor dem schmalen Durchgang an der Güterstraße, der zur Moto Guzzi-Garage führte.

    *
    Baumer ging in den Hof, in dem die Garagengebäude lagen. Sie bestanden aus zwei Schuppen. Einer war als Werkstatt erkennbar, der andere, kleinere, war wohl ein Lagerhaus. Im Hof selbst standen fünf Moto Guzzis unter einem weit auskragenden Glasdach. Alle Motorräder waren in derselben Aufmachung. Egal welches Modell – sie waren alle in gleicher Art und Weise auf Heavy Metal gestylt.
    »Ho, Mann«, tönte es plötzlich hinter Baumer wie aus einem verrosteten, leeren Silowagen heraus.
    »Hallo«, sagte Andi ohne sich umzudrehen zu der Stimme, die von der Werkstatt hergekommen war. Er betrachtete weiter die Motorräder, die alle abfahrbereit aufgestellt waren. Sie waren mit dem Symbol einer Gang geschmückt, einem Totenkopf, der in einen Dolch mit gezackter Klinge und gelbem Griff biss. Baumer hatte es schon einmal gesehen, am Ärmel von Toni dem Schlächter. Der Name der Gang stand auf den Tanks der Maschinen: Deadly Skull’s, mit falsch gesetztem Apostroph.
    »Ho, Mann«, tönte es jetzt noch rauher.
    Baumer drehte sich nun um, sah im Eingang der Werkstatt einen kräftigen Rocker stehen, der sich langsam auf ihn zu bewegte. Seine Haare waren lang. Wie ein Navajoindianer hatte sich der Biker ein buntes Leinentaschentuch gefaltet und um die Stirn gebunden. Seine gepflegten Haare würden darunter im Fahrtwind ebenso flattern wie die einer Rothaut auf ihrem Mustang.
    »Bin ich hier richtig?«, fragte Baumer freundlich.
    »Kommt drauf an, ob du von der Presse bist. Dann bist du falsch.«
    Baumer zog seinen Ausweis, hielt ihn in Richtung des muskulösen Bikers.
    »Schon gut. Habe ich mir schon denken können, dass hier einer von euch warmen Brüdern vorbeikommt.«
    »Wollen wir nicht hineingehen?«
    »Nö, Mann. Keine Zeit.«
    »Keine Zeit oder keine Lust?«
    »Beides, du Blödmann.« Die Stimme wurde ein wenig höher, aber schien immer noch wie aus einer dunklen Höhle herauszurollen.
    »Danke fürs Kompliment«, sagte Baumer. »Darf ich Ihnen also hier ein paar Fragen stellen. Einfach so. Nichts Spezielles.«
    »Hau ab, du schwule Sau«, brüllte es tief aus der Brust des Lederkerls heraus, der jetzt wie Golem auf Baumer losmarschierte.
    Baumer machte instinktiv einen Schritt zurück. Er nahm die Hände aus den Hosentaschen.
    »Jimmy, stop it!«, ertönte es scharf wie schwarzer Pfeffer aus der Garage, und ein verwirrend schmächtiger Mechaniker im blauen Overall

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