kommt wie gerufen
räusperte sich nervös.
»Buenos dias«, sagte der Mann hinter dem Pult, blickte lächelnd auf und setzte nach einem zweiten Blick hinzu: »Guten Morgen.«
Mrs. Pollifax sah sich unsicher um, aber es war sonst niemand im Laden. »Guten Morgen«, erwiderte sie. Das war nicht ihr Freund Señor de Gamez, den sie bei ihrem früheren Besuch kennengelernt hatte. Dieser Mann hier war klein und geschniegelt, hatte schwarzes Haar, Brille und keinen Schnurrbart. Wenn er lächelte, funkelte seitlich ein Goldzahn auf. Um ihre Verwirrung zu bemänteln, erwiderte sie sein Lächeln mit größter Herzlichkeit und trat an den Tisch, auf dem die amerikanischen Neuerscheinungen bereitlagen.
Sie schlug einen Band nach dem anderen auf.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?« machte sich der Mann mit einer Verneigung erbötig.
Mrs. Pollifax hatte einen Augenblick gewonnen, um zu überlegen.
Sie fand, daß sie einfach fragen mußte, wann Señor de Gamez wieder hier sein würde. Vielleicht war er plötzlich erkrankt oder war nur rasch um Zigaretten gelaufen. »Bei meinem früheren Besuch war der Inhaber so hilfsbereit«, vertraute sie dem Mann an. »Er hat das passende Buch für mich ausgesucht. Wird er bald wieder hier sein?«
Der Mann zog ein erstauntes Gesicht. »Aber der Inhaber bin ich, Señora. Ich bin Señor de Gamez.«
Völlig verdutzt murmelte Mrs. Pollifax: »Oh!«
Schon redete der Mann lächelnd weiter. »Sicher meinen Sie meinen Vetter, der im Laden aushilft, wenn ich beruflich unterwegs bin. Das geschieht ab und zu, wissen Sie? Auch er heißt Señor de Gamez. Aber der ist nicht da.«
»Er war ganz besonders liebenswürdig«, erläuterte Mrs. Pollifax bereitwillig. »Er hat mir ein Lehrbuch des Patiencespiels geschenkt, und – « Sie brach plötzlich ab. »O Gott, das hätte ich vielleicht lieber nicht erwähnen sollen. Schließlich gehört das Geschäft Ihnen. Aber ich bezahle natürlich gern für das Buch, ja, ich wollte es schon damals unbedingt tun.«
»Ja, daran erkenne ich José«, sagte der Mann mit bekümmertem Lächeln. »Ganz eindeutig. Aber was soll ich mit ihm tun?« Er zuckte die Schultern und sein Goldzahn funkelte. »José handelt stets so impulsiv, und wenn der Laden ihm gehörte, wäre er in einem Monat in Konkurs. Und doch…«, sein zweites Schulterzucken war sogar noch beredter als das erste, »doch ist es Josés Charme, der Sie zurückgebracht hat, nicht wahr?«
»Ja, allerdings, und zwar hätte ich heute gern den Roman >Zwei Städte<«, sagte sie dreist.
»>Zwei Städte<«, wiederholte er nachdenklich. Er kehrte ans Pult zurück und blätterte mehrere Listen durch. »Leider führen wir dieses Buch zur Zeit nicht.«
»Ich glaube, ich habe es in Ihrem Schaufenster liegen sehen«, sagte sie atemlos.
»Si?« Das sagte er mit genau der richtigen Schattierung unschuldiger Überraschung und sie ging mit ihm zu dem niedrigen Vorhang, der das Schaufenster vom Laden trennte.
»Ja.« Beide sahen sie nach, aber Mrs. Pollifax konnte das gewünschte Buch schweren Herzens nirgends entdecken, und sie machte sich die bittersten Vorwürfe, nicht vor dem Eintreten im Schaufenster danach gesucht zu haben. Nichts schien klappen zu wollen. Es war, als richtete das Schicksal überall Hürden auf, um sie auf die Probe zu stellen. Stirnrunzelnd sagte sie: »Gestern war es noch hier, da hätte ich es gleich kaufen sollen. Oder vielleicht habe ich das Geschäft verwechselt. Ich finde Madame Defarge einfach schauerlich, nicht wahr?« Jetzt wartete sie mit aufmerksamem Blick auf eine Bemerkung von ihm.
Señor de Gamez beugte sich noch immer über den Vorhang und musterte die Bücher im Fenster. Dann richtete er sich auf und sah Mrs. Pollifax aus ernst gewordenen Augen an. Sie hatte das Gefühl, daß auch er versuchte, sich ein Bild von ihr zu machen. »Es ist nicht hier«, sagte er, ohne den Blick von ihr zu wenden.
»Nein, es ist nicht hier.«
»Aber ich denke, wir beide verstehen einander trotzdem«, fuhr er leise fort.
»Wie, bitte?«
»Ich meine, wir haben etwas Gemeinsames, oder nicht? Ich habe Sie erwartet. Bitte – ein Täßchen Tee, während ich Ihnen hole, weshalb Sie gekommen sind. Ich habe in meinem Hinterzimmer eben frischen Tee zubereitet.«
Mißtrauisch erwiderte Mrs. Pollifax: »Das ist wirklich außerordentlich nett von Ihnen«, dachte aber heimlich das Gegenteil. Daß das Buch nicht im Schaufenster stand, störte sie beträchtlich, und sie kam sich wie eine Närrin vor. Anderseits hatte der Mann
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