kommt wie gerufen
widersprach Mrs. Pollifax nachdenklich, »bloß erfahren und das wird man im Laufe des Lebens ganz von selbst. Weisheit ist, glaube ich, etwas anderes.« Ihr Blick wanderte bewundernd zu dem bunten Vogel zurück. »Leistet sie Ihnen Gesellschaft?« Als er sie ratlos ansah, sagte sie: »Ihr Papagei vertreibt Ihnen die Einsamkeit?«
»Oh – si«, sagte er und nickte begreifend. »Ja. Meine Frau, sie ist seit fünf Jahren tot und meine Söhne sind erwachsen und im Beruf. Wenn ich jemand reden hören will, decke ich Óles Käfig ab, und wir unterhalten uns. Sie sagt ein paar Worte in Englisch und ein paar auf Spanisch, und wenn wir unser Gespräch beendet haben, decke ich ihren Käfig wieder zu und sie hört auf.«
Mrs. Pollifax lachte. »Die ideale Gesellschafterin.«
»Ganz richtig. Und Sie – Sie haben vielleicht auch Kinder?« lächelte Señor de Gamez.
Mrs. Pollifax reichte ihm ihr Buch und das Geld, und sie traten zum Verkaufspult. »Zwei, einen Jungen und ein Mädchen. Beide schon erwachsen. Ich bin seit acht Jahren Witwe.«
Sofort betrachtete er sie voll Mitgefühl. »Das tut mir leid. Aber Sie sind doch bestimmt nicht allein nach Mexiko gekommen?«
Mrs. Pollifax nickte.
»Dann haben Sie Mut. Das ist gut, sehr gut.«
»Manchmal fühle ich mich etwas einsam«, gestand Mrs. Pollifax.
»Ja, aber genau wie ich mit meiner Óle können Sie allein sein, wenn Sie es wollen. Manche dieser Amerikanerinnen, sie sind wie Schwärme von – verzeihen Sie – Schwärme von Gänsen. Stets beisammen, und immer müssen sie schnattern. Sie aber, wenn Sie sich einsam fühlen, müssen sich nur ein paar amerikanische Gänse suchen. Haben Sie aber genug von ihnen« – er schnippte mit dem Finger –, »dann verschwinden Sie. Sie lesen. Lesen Sie gerne? Sicher, sonst wären Sie nicht hier. Patience? Legen Sie Patiencen?«
Mrs. Pollifax schüttelte den Kopf.
»Aber Señora«, rief er, »da versagen Sie sich ein großes Vergnügen.
Ich selbst liebe meine Patiencekarten.« Er tippte sich an die Stirn. »Das Spiel regt zum Denken an und ist gesund für den Geist.«
Unschlüssig sagte Mrs. Pollifax: »Ich habe als Kind einmal ein paar Spiele versucht – .«
»Si, aber jetzt sind Sie eine erwachsene Dame«, lächelte er. »Bitte – Sie kaufen dieses Buch? Gestatten Sie mir, ein kleines Büchlein als Geschenk beizulegen. Nein, nein«, schnitt er ihr mit erhobener Hand jede Widerrede ab, ging zu einem Regal, wählte unter verschiedenen Bänden und entschied sich für einen mit einem grellblauen Umschlag. »Das ist es«, sagte er und reichte es ihr mit einer eleganten Verbeugung. »>77 Arten des Patiencespiels.<«
»Ach«, murmelte Mrs. Pollifax. Sie fand ihn reizend und wußte nicht recht, was sie erwidern sollte.
»Gegen die Einsamkeit, si? Weil Ihnen mein Papagei gefällt und Sie keine Gänse sind.«
»Gans«, sagte Mrs. Pollifax und mußte lachen. »Schön, ich versuche es. Ich werde mich wirklich bemühen.«
»Dann nehmen Sie also mein Geschenk an. Mehr als das, Sie werden das Buch lesen und verwenden. Vergessen Sie nicht, daß Sie jetzt kein Kind mehr sind und das Spiel besser genießen werden.« Er knüpfte den Bindfaden und nickte einem eben eintretenden Mann und einer Frau liebenswürdig zu. »Es war mir ein großes Vergnügen, Señora. Mögen Sie einen schönen Aufenthalt haben.«
Mrs. Pollifax war von seiner Freundlichkeit zutiefst gerührt. »Vielen Dank. Und ich danke Ihnen auch für das Buch.«
Sie stand schon an der Tür, als er ihr quer durch den Laden nachrief: »Oh, amerikanische Señora…«
Mrs. Pollifax wandte sich um.
Er lächelte. »Wie können Sie denn siebenundsiebzig Arten Patience ohne Karten legen?« Er hob ein Paket Karten unter dem Pult hervor und warf es ihr schwungvoll zu.
»Aber«, setzte Mrs. Pollifax an, hob die Hand und fing die Karten in der Luft auf. Ihr Sohn Roger wäre stolz auf sie gewesen.
»Wie sagt ihr Amerikaner: >Auf Rechnung des Hauses!<« rief er ihr fröhlich zu.
Was für ein netter Mensch! Mrs. Pollifax gab gnädig nach. Schließlich warteten andere Kunden auf ihn. Sie hielt die Karten hoch, um ihm zu zeigen, daß sie sie gefangen hatte, steckte sie in ihre Handtasche und entfernte sich nach kurzem Winken.
Mrs. Pollifax war noch keinen Häuserblock weiter, als sie entsetzt stehen blieb und den Mund zu einem betroffenen O öffnete. Ihr war eben eingefallen, daß der reizende Herr, mit dem sie ein halbes Stündchen verplaudert hatte, kein anderer als Mr. Carstairs
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