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Komoedie des Alterns

Komoedie des Alterns

Titel: Komoedie des Alterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Scharang
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Enthusiasmus.
    Auch er, sagte Karem, habe eine Frage. Warum Sarani in den letzten Wochen zu einem gebrochenen Mann geworden sei. Er müsse hinzufügen, daß auch Freudensprung elend und krank wirke und Sarani zum Erschrecken ähnle.Der Jeep vor ihnen bremste. Er müsse jetzt voranfahren, sagte Karem, es gehe Richtung Wüstenhaus. Nun schlief auch Freudensprung ein.

12
    Das Wüstenhaus
    Heinrich Freudensprung wurde geweckt, er spürte, wie jemand ihm auf die Schulter tippte, hatte aber Mühe, die Lider zu heben, was ihm gleichgültig gewesen wäre, hätte er nicht sehen wollen, wer ihn aufstörte. Was los sei, fragte er. Der Mann, eine Maschinenpistole umgehängt, antwortete auf arabisch, streckte, er stand neben dem Auto, Freudensprung die Hand entgegen, der ergriff sie, worauf der Mann Freudensprung mit einer Geste bat auszusteigen; Freudensprung aber fragte Sarani, da das Auto mitten in der Wüste vor einer Düne stand, ob das Fahrzeug defekt sei. Doch Sarani saß nicht mehr neben ihm.
    Freudensprung entschloß sich, im Auto sitzen zu bleiben, er umklammerte den Leinenbeutel, als wäre der sein letzter Halt, und gab sich verloren. Er verstand nicht, was die Mörder davon hätten, wenn er ausstiege, sie könnten ihn doch genausogut im Auto erschießen. Doch, er verstand es: Die Lederpolsterung wäre mit Blut versaut. Man werde ihn hinter die Düne schleifen, wo Sarani bereits liege – tot. Freudensprung glaubte sich zu erinnern, durch einen Schuß geweckt worden zu sein und dann erst das Schulterklopfen gespürt zu haben. Es gehöre zur Bestialität, dachte er, dem, der vor dem Erschießen stehe, zu zeigen, daß man den Freund schon erschossen habe; sich daran zu erfreuen, wie die Todesangst des zu Tötenden ins Unermeßliche steige, bringe Abwechslung inden tristen Mörderalltag – eine Maschinenpistole gegen einen Wehrlosen –, eine Abwechslung, für die an diesem Tag Freudensprung zu sorgen habe.
    Er blickte aus dem Auto, der Bewaffnete war weggegangen, Freudensprung wußte, wohin: hinter die Düne, von dort hole er einen Helfer, um Freudensprung aus dem Auto zu werfen und wegzuschleifen. Wie, fragte er sich, hätten Zacharias und er so dumm sein können, nicht zu erkennen, daß Mustafa auf den Tod seines Assistenten umgehend mit einer Racheaktion reagieren werde?
    Freudensprung bedauerte, in Manhattan nicht die Kraft gehabt zu haben, aus dem Fenster zu springen, ein Selbstmord aus Eifersucht hätte besser zu seinem Leben gepaßt, das wäre wenigstens eine Lebensäußerung gewesen; andrerseits sei die Vorstellung, in der Tradition von Zacharias’ Brüdern und dessen Onkel in der Wüste zu verschwinden, nicht ohne Reiz, sofern, dachte er, man nicht selbst derjenige sei, der verschwinde.
    Heinrich! rief jemand, und Freudensprung schaute auf, er sah Sarani, der wieder und wieder Heinrich! rief und ihm winkte, damit er endlich aus dem Auto steige, was er schließlich tat. Wäre nicht Karem an Saranis Seite gestanden, Freudensprung hätte Zacharias für ein Gespenst gehalten, denn die beiden befanden sich vor der Sanddüne, als wären sie ihr entstiegen, es mußte also eine Öffnung geben, die ins Innere der Düne führte, vielleicht in jenes Haus, von dem Zacharias gesprochen hatte. Freudensprung fixierte den Totgeglaubten, damit der ja nicht verschwinde, und Sarani stand geduldig da in zu großen weißen Boxershorts, Preisträger bei der Meisterschaft der Hungerkünstler, ein Skelett mit Spitzbauch, letzterer eine Folge des Siegesbanketts.
    Freudensprung watete – zum Stapfen fehlte ihm die Kraft – durch den Sand auf die beiden zu, Karem kam ihm, um zu helfen, entgegen, und so gingen sie auf die Düne zu, in die eine Glastür, gehalten von einem Metallrahmen, eingelassen war, durch die sie dann – Sarani hatte sich ins Schlafzimmer zurückgezogen – schritten und sogleich in den Innenhof des Hauses gelangten.
    Wunderbar, rief Freudensprung, schaute sich in dem Innenhof um, der nur in der Mitte offen, sonst überdacht war, empfand die Proportionen des Atriums als Balsam für seine Seele, fragte sich, von welchen Materialien die Schönheit dieses Raums wohl ausgehe, und näherte sich einer Mauer, um sie zu betasten, doch der Weg durch den Sand hatte ihn mitgenommen, was Karem bemerkte, und er schob Freudensprung schnell einen Sessel hin.
    Er sei hier, sagte Karem, nicht um mit Freudensprung über Musik zu debattieren, er wolle sich um die beiden Männer kümmern, er werde Heinrich das Schlafzimmer zeigen,

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