Komoedie des Alterns
nichts sagte, Gelegenheit zum Nachdenken gab.
Ihm sei, sagte Freudensprung nach einer Weile, nicht der Name Lena, sondern eine Frau dieses Namens gestohlen worden, worauf Sarani antwortete, er nehme diese Wortmeldung als wenig originell und die Sache nicht erhellend zur Kenntnis. Er kenne keine Frau dieses Namens. Worauf Freudensprung einwandte, man müssejemanden, den man zum Spielball einer Intrige erwähle, nicht persönlich kennen.
Sarani nickte, wie man jemandem zunickt, bei dem Argumentation zu bemühen keinen Sinn hat, und holte sich aus der Küche Weißbrot, Käse und Rotwein. Freudensprung wandte sich von Sarani ab und schaute auf die leicht bewegte Wasseroberfläche im Zentrum des Atriums als auf einen Quell der Klarheit. Da er, sagte Freudensprung, Wort für Wort zu einem Satz zusammenfügend, im Gespräch mit David Lena nicht erwähnt habe, da David deshalb seinem Vater von Lena nicht erzählt haben könne, da Heinrich, nachdem er Lena kennengelernt hatte, Zacharias nicht mehr geschrieben habe, stelle sich die Frage, ob Lena in New York David zufällig begegnet sei, was allerdings hieße, dem Zufall eine Last aufzubürden, welcher der nicht gewachsen sei.
Das Geheimnis des Zufalls sei, sagte Sarani mit vollem Mund – er schien sich mit der Blamage abzufinden, dem Freund fälschlich eine Intrige unterstellt zu haben –, daß der Zufall den Eindruck erwecke, in ihm walte eine Absicht, und sei es eine göttliche; erst eine von Zwang freie Menschheit werde den Zufall als ein willkommenes, die Menschen belustigendes Phänomen begrüßen. Er, fuhr Sarani fort, habe bislang nur gewußt, was Sophie ihm im August nach einem Telefonat mit dem Sohn mitgeteilt habe: daß David im Februar Heinrich in Kairo getroffen habe, um mit ihm über die Akademie zu reden. Er akzeptiere Heinrichs Darstellung, daß jene Begegnung in Unfrieden zwischen Heinrich und David geendet habe. Seine Idee, sagte Sarani, man habe damals ein Komplott gegen ihn geschmiedet, könne er nicht von einem Augenblick auf den anderen aufgeben, es sei janicht nur eine schreckliche, sondern auch eine schöne Idee gewesen.
Zacharias’ Überlegung, sagte Freudensprung – er unterbrach seine Rede, da Karem mit einigen Einkaufssäcken ins Atrium trat, jedoch rasch den Raum durchquerte und in der Küche verschwand –, könne er einiges abgewinnen; für ihn sei die Vorstellung, die wohl der Realität entspreche, daß Lena und David einander zufällig begegneten und sofort in Liebe entflammten, schmerzlicher als jene, er sei Opfer einer Intrige geworden.
Sarani schienen Freudensprungs Ausführungen nicht zu interessieren, er widmete sich dem Käse und dem Brot, so daß Freudensprung in die Küche ging, erstaunt war, was der Kühlschrank alles bot, und sich für ein Stück Salami entschied, aus dem Brotkorb ein Stück Weißbrot mitnahm, vom Regal die Flasche Rotwein, in der Meinung, auch Sarani werde ein weiteres Glas trinken.
Diese Pause nutzte Karem, um seine Neuigkeiten loszuwerden: David und Lena befänden sich seit gestern auf der Farm, David sei aufgeregt gewesen, man habe ihm gesagt, daß seine Mutter nach Graz gereist sei zu einer ärztlichen Untersuchung. David habe sie sofort angerufen, sie habe ihm versichert, bloß unter Erschöpfungszuständen zu leiden, wohl eine Folge des Alters, vielleicht auch des Wüstenklimas, das sie im Sommer nicht mehr vertrage; sorgen müsse man sich jedoch um Zacharias, der in den vergangenen Wochen rapid an Gewicht verloren und, sie müsse das sagen, manchmal wirr geredet habe.
David habe ihm das, sagte Karem, überstürzt berichtet, in der Erwartung, von ihm mehr zu erfahren. Er habe David beruhigt: Zacharias sei im Wüstenhaus, inGesellschaft von Heinrich; Zacharias wirke abgemagert, gewiß, das falle aber, sitze er neben Freudensprung, nicht auf, da der ebenfalls spindeldürr sei; ansonsten seien die beiden, wenn Karems Eindruck ihn nicht trüge, ein Herz und eine Seele, wenn auch mit wenig Fleisch dran.
Worauf David und die junge Frau, die sich, fuhr Karem fort, als Lena vorstellte, begeistert kundgetan hätten, sie müßten die beiden Männer sehen, sie hätten ihnen Wichtiges zu sagen. Sarani sprang auf. Einen besseren Zeitpunkt, sagte er, die beiden zu sehen, gebe es nicht, er werde, um die Verhandlung über die Affäre zu einem Abschluß zu bringen, nun auch eine dritte und vierte Stimme hören, er brenne darauf, die beiden zu sprechen. Heinrich werde selbstverständlich mitkommen, um seine Sicht der
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