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Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Titel: Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Hayerdhal
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das Tau, das ausschwang und schwach den Stößen nachgab. Aber ob die Schläge von oben oder unten kamen, merkte ich nicht, da ich ja hing.
    Das Ganze dauerte Sekunden, aber es forderte mehr Kraft, als wir gewöhnlich im Körper haben. Es gibt noch andere Kräfte in der Menschenmaschinerie als die Muskeln allein. Ich beschloß, sollte ich sterben, so wollte ich in dieser Stellung sterben, wie ein Knoten im Tau. Jetzt donnerte die See weiter, darüber vorbei. Als sie brüllend passierte, enthüllte sie einen schlimmen Anblick. Wie mit einem Zauberschlag war die ganze »Kon-Tiki« verändert. Das Fahrzeug, das wir wochen- und monatelang auf See kannten, bestand nicht mehr. In Sekunden war unsere gemütliche Welt zu einem Wrack zerschlagen.
    Ich sah einen einzigen Menschen an Bord außer mir. Er lag flach  mitten auf das Hüttendach gepreßt, Gesicht und Arme zur Seite gestreckt. Die Hütte selbst war wie ein Kartenhaus nach rückwärts und Steuerbord zusammengedrückt. Das reglose Geschöpf war Hermann. Sonst war kein Zeichen eines anderen Lebens zu entdecken, als die Wassermassen über das Riff hinein weiter donnerten. Der eisenharte Mast auf der Steuerbordseite war wie ein Zündholz geknickt, im Sturz hatten die oberste Spitze das Hüttendach durchschlagen, so daß der Mast mit allem Tauwerk schräg nach Steuerbord über das Riff hing. Am Heck war der Steuerbock verdreht und der Querbalken gebrochen, das Steuerruder war Kleinholz geworden. Die soliden Kieferplanken am Bug waren wie Zigarrenbrettchen zerschlagen, und das ganze Deck war aufgerissen. Der Druck hatte es wie nasses Papier gegen die Vorderwand der Hütte geklatscht samt Kisten, Kannen, Segeltuch und anderer Last. Bambussprossen und Tauenden standen überall heraus: der  Gesamteindruck war ein vollständiges Chaos.
    Ich spürte einen eisigen Schreck durch den ganzen Körper. Was half es, wenn ich allein festhing. Wenn ich einen einzigen Mann hier im Endspurt verlor, war der ganze Erfolg in Frage gestellt. Und vorläufig war überhaupt nur ein einziger nach dem letzten Wogenanprall zu sehen. Aber im selben Augenblick tauchte Torsteins zusammengekrümmte Gestalt neben der Seite des Floßes auf. Es glückte ihm, an Bord zu kommen, und er kroch hinauf auf den Wirrwarr vor der Hütte. Hermann drehte jetzt auch den Kopf und preßte ein aufmunterndes Grinsen hervor, ohne sich zu rühren. Ich brüllte eine Frage nach den anderen und hörte Bengts ruhige Stimme antworten, es seien noch alle an Bord. Sie lagen ins Tauwerk geklammert hinter der Barrikade, die das zähe Flechtwerk des Bambusdecks aufgebaut hatte.
    All das geschah im Laufe von Sekunden, während die »Kon-Tiki« mit dem Rücksog auf dem Weg aus dem Hexenkessel war. Da wälzte sich eine neue See herein. Zum letztenmal brüllte ich »Festhalten!« mit aller Kraft meiner Lungen ins Tosen, und das war auch alles, was ich selbst tat. Wieder klammerte ich mich fest und verschwand in den Wassermassen, die in endlosen zwei bis drei Sekunden darüber- und vorbeirasten. Das war genug für mich. Ich sah, daß das Ende der Stämme gegen eine jähe Stufe im Korallenriff prallte, ohne darüberzukommen. Plötzlich wurden wir wieder hinausgezogen. Ich sah auch die zwei, die über den Hüttenfirst ausgestreckt lagen, aber das Lachen war ihnen vergangen. Hinter dem Bambuschaos hörte ich eine ruhige Stimme:
    »Es geht nicht.«
    Und ich spürte dieselbe Mutlosigkeit selbst. Da sich die Mastspitze weiter und weiter über Steuerbord neigte, hing ich selbst an meiner schlaffen Leine außerhalb des Floßes. Und die nächste See kam. Als sie vorüber war, war ich todmüde und dachte nur mehr daran, hinauf auf die Stämme zu kommen und hinter der Barrikade zu liegen. Als das Wasser ablief, sah ich zum ersten Mal das holprige, rote Riff entblößt unter uns und entdeckte Torstein, der gebückt auf den glänzenden roten Korallen stand und ein Tauende vom Mast festhielt. Knut stand achtern auf dem Sprung. Ich brüllte, daß wir uns auf den Stämmen halten müßten, und Torstein, der vom Wasserdruck über Bord gespült worden war, schwang sich wie eine Katze wieder hinauf.
    Zwei oder drei Wellen wälzten sich mit abnehmender Kraft über uns weg, dessen, was dabei geschah, erinnere ich mich nicht, außer daß das Wasser vorbeibrauste und ich selbst tiefer und tiefer herunterkam zu dem roten Riff, auf das wir geschoben wurden. Jetzt erreichten uns nur mehr Schaumflocken, und ich arbeitete mich auf das Floß, wo wir alle auf dem Weg

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