Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik
schützen, spannten wir Segeltuch über die Hinterwand und die Backbordseite der Hütte. Alles Lose wurde sicher vertäut. Wir zogen das Segel ein und banden es an die Bambusrah. Da der Himmel sich bezog, wurden die Seen dunkel und drohend. Über das ganze Gesichtsfeld hin war das Meer rundum aufgewühlt und von weißschäumenden Brechern gekrönt. Lange Streifen toten Schaumes lagen in der Windrichtung hinter dem Rücken der Wellen. Überall, wo sich die Wogenkämme überschlagen hatten, standen diese langen, grünen Schlagspuren und schäumten in der blauschwarzen See. Die sich überschlagenden Kämme wurden vom Sturme fortgeblasen, und ein salziger Sprühregen hing über dem Meer. Ein richtiger Tropenregen kam hinzu. Mit heftigsten Windstößen prasselte Schauer um Schauer hernieder und peitschte die wogende Meeresfläche. Was uns aber an Haar und Bart herunterlief, das schmeckte nach Brackwasser, so sehr vermischten sich Regen und sprühende See. Nackt und frierend tasteten wir uns gebückt auf dem Deck umher und trafen die letzten Vorbereitungen für den Sturm. Es war wohl ein wenig gespannte Erwartung und Besorgnis in unseren Blicken, als das Unwetter sich über den Horizont heraufwälzte und uns einfing. Es war ja unser erster Sturm. Doch als er dann mit voller Wucht über uns herfiel und die »Kon-Tiki« sich über alles, was daherkam, so spielend leicht und elegant hinwegschwang, da wurde schließlich der Kampf mit dem Unwetter für uns zu einem spannenden Sport. Alle Mann freuten sich über die Wildheit rings um uns, die das Balsafloß so gut beherrschte. Immer wieder tanzte es wie ein Kork zuoberst auf den Spitzen, und die drohenden Wellenberge glitten unter uns fort. Das Meer hatte bei solchem Wetter viel mit dem Gebirge gemeinsam. Es war wie auf einer Hochebene im Sturm, hoch droben zwischen den obersten, grauen, nackten Bergflanken. Mochten wir auch mitten im Herzen der Tropen sein: Wenn das Floß über die wogende Meeresweite auf und nieder schlitterte, so dachten wir ständig an Fahrten an stiebenden Schneewächten und Abhängen entlang.
Die Ruderwache freilich mußte bei solchem Wetter höllisch aufpassen. Wenn steile Seen die vordere Hälfte des Floßes passierten, dann hoben sich die Stämme am Heck hoch aus dem Wasser. Doch in der nächsten Sekunde kippten sie nach unten und kletterten einen neuen Wogenkamm empor. Folgten die Seen so dicht aufeinander, daß uns die hintere erreichte, während die vordere noch unseren Bug in die Luft drückte, dann donnerten mit einem schreckenerregenden Brausen mächtige Wassermassen über die Ruderwache herein. Aber im nächsten Augenblick wippte der Achtersteven wieder in die Luft, und die Wasserflut verschwand zwischen den Stämmen wie durch die Zinken einer Gabel.
Wir rechneten aus, daß bei ruhiger See gewöhnlich alle sieben Sekunden ein Wogenkamm auf den anderen folgte und wir dabei an einem Tag rund zweihundert Tonnen Wasser übers Heck hereinbekamen. Diese Wassermenge merkten wir kaum, weil sie um die bloßen Beine der Steuerwache ruhig hereinströmte und ebenso ruhig zwischen den Stämmen wieder verschwand. Aber im tollen Unwetter wälzten sich im Laufe eines Tages mehr als zehntausend Tonnen Seewasser über unser Heck. Oft mochten das nur ein paar Liter sein, oft zwei bis drei Kubikmeter und in einzelnen Fällen sogar noch erheblich mehr, die da alle fünf Sekunden über Bord schäumten. Manchmal brachen sie mit einem ohrenbetäubenden Donnerschlag über das Heck herein, daß der Mann am Ruder bis zum Bauch im Wasser stand und das Gefühl hatte, sich gegen einen reißenden Gebirgsbach zu stemmen. Einen Augenblick stand das Floß gleichsam zögernd da. Aber dann rann die ungleichmäßige Last wieder in großen Kaskaden von Bord.
Hermann war mit seinem Anemometer ständig unterwegs und maß die Sturmstöße, die einen Tag anhielten. Dann flauten sie zu einer steifen Brise mit vereinzelten Regenböen ab, die weiterhin die See um uns im Kochen hielten. Wir aber segelten mit frischer Fahrt nach Westen.
Um zwischen den turmhohen Seen eine richtige Windmessung durchzuführen, mußte Hermann, soweit das möglich war, auf die schwankende Mastspitze hinaufklettern. Dort aber hatte er allem mit dem Festhalten mehr als genug zu tun.
Als der Sturm abflaute, schienen die Großfische rund um uns vollständig verrückt geworden zu sein. Das Wasser um das Floß war voll von Haien, Thunfischen, Dolfinen und vereinzelten verstörten Bonitos, die sich alle dicht unter
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