Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik
uns glückte, ihn am Schwanze hochzuheben.
Die See wimmelte nur so von verzweifelt durcheinanderschießenden Fischrücken. Wieder schluckte ein Hai den Köder, riß sich aber los, als er an Bord sollte. Doch dann bekamen wir einen Sechsfußhai wohl geborgen auf die Stämme, gleich nach ihm einen fünf Fuß langen Burschen, der auch an Bord ging. Noch einmal fingen wir einen Sechsfußhai und zogen auch ihn in die Höhe. Wiederum warfen wir die Angel aus und zogen einen sieben Fuß langen Kerl herein.
Wo wir auch an Deck herumstiegen, lagen große Haie im Weg und schlugen den Schwanz in Zuckungen gegen die Stämme, trommelten auf die Bambushütte und schnappten um sich. Müde und ausgepumpt nach den Unwetternächten vorher begannen wir völlig irre zu werden, welche Haie ganz tot waren, welche noch krampfhaft schnappten, wenn wir ihnen nahe kamen, und welche noch springlebendig waren und mit ihren grünen Katzenaugen auf uns lauerten. Als wir neun große Haie kreuz und quer um uns herum liegen hatten, waren wir es so müde, an schweren Leinen zu ziehen und mit unbändigen Haien zu kämpfen, daß wir nach fünf Stunden verbissener Rauferei nun endgültig Schluß machten.
Am nächsten Tag gab es weniger Thunfische und Dolfine, aber ebenso viele Haie wie vorher. Wiederum begannen wir, sie an Bord zu ziehen, gaben es aber bald auf, da wir merkten, daß das frische Haiblut, das vom Floß rann, nur noch mehr dieser Bestien herbeilockte. Wir warfen alle
Haikadaver über Bord und wuschen und spülten das Deck rein vom Blut. Von den scharfen Zähnen und der rauhen Haut der Haie waren die Bambusmatten arg zerfetzt. Was besonders blutig und zerrissen war, warfen wir in die See und legten neue goldgelbe Bambusmatten auf, von denen ein vielschichtiger Stapel am Vorderdeck festgezurrt war.
Wenn wir uns an diesen Abenden niederlegten, sahen wir im Traum noch das böse, gierige, blutige Haimaul vor uns. Der Geruch von Haifleisch hing uns in der Nase. Es war genießbar. Wenn man es in große Brocken zerschnitt und diese einen Tag in Seewasser hängenließ, so daß der Ammoniak ausgelaugt wurde, schmeckte es wie Schellfisch, aber Bonitos und Thunfische waren unvergleichlich besser.
An diesem Abend hörte ich zum ersten Mal, wie einer der Jungens bemerkte, jetzt würde es bald gut sein, sich auf einer Palmeninsel bequem ins Gras zu legen. Er würde sich freuen, einmal etwas anderes zu sehen als kalten Fisch und Seegang.
Der Sturm flaute ganz ab. Doch das Wetter wurde nie mehr so beständig und zuverlässig wie früher. Unberechenbare, heftige Windstöße führten ab und zu kräftige Regenschauer mit sich. Wir sahen das mit Freuden, denn unser Wasservorrat war zum großen Teil faulig geworden und schmeckte wie übelriechendes Sumpfwasser. Wenn der Regen am stärksten niederprasselte, sammelten wir das Wasser vom Hüttendach. Wir selber aber stellten uns nackt an Deck und genossen so richtig den Luxus, all das Salz mit Frischwasser abzuspülen.
Bald tummelten sich auch die Lotsenfische auf ihren gewohnten Plätzen um das Floß. Ob jedoch die alten nach dem Blutbad zu uns zurückgefunden hatten oder ob in der Hitze des Kampfes neue Gefolgsleute zu uns übergegangen waren, konnten wir nicht sagen.
Am 21. Juli erstarb der Wind plötzlich von neuem. Es war drückend schwül und völlig windstill. Wir wußten vom letzten Mal, was das zu bedeuten hatte. Und richtig, nach ein paar gewaltigen Windstößen aus Ost und West und Süd frischte der Wind auf und wuchs zu einer steifen Brise. Schwarze, dräuende Wolken wälzten sich im Süden über den Saum des Meeres empor. Hermann war ständig mit dem Windmesser draußen und maß vierzehn bis sechzehn Meter pro Sekunde, als plötzlich Torsteins Schlafsack über Bord gefahren kam.
Was sich nun abspielte, geschah in wenigen Augenblicken, weit rascher, als es sich erzählen läßt.
Hermann, der den Sack in seinem Flug zu fassen suchte, machte einen unüberlegten Schritt und ging über Bord. Wir hörten einen schwachen Hilferuf im Wogenlärm und sahen Hermanns Kopf und einen winkenden Arm, zusammen mit etwas Grünem, Unbestimmbarem, das sich im Wasser um ihn bog. Es ging ums Leben. Mit aller Kraft versuchte er in den hohen Seen, die ihn von der Backbordseite hinausgehoben hatten, zurück zum Floß zu kommen. Torstein, der achtern am Steuerruder stand, und ich selbst, der vorn am Bug war, bemerkten ihn zuerst und wurden vom Schrecken geschlagen. Wir brüllten aus vollem Hals: »Mann über Bord!«
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