Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik
anständigen Kielwasser hinter dem Floß.
Vier Mann lagen in der Bambushütte und schnarchten. Torstein klapperte mit der Morsetaste, und ich hatte Steuerwache. Da bemerkte ich knapp vor Mitternacht eine ungewöhnlich große Woge, die sich überschlug und hinter uns quer über das ganze unruhige Gesichtsfeld daherjagte. Ab und zu konnte ich hinter ihr den brausenden Kamm von ein paar anderen, ähnlichen Riesenwogen sehen, die ihr auf den Fersen folgten. Hätten wir nicht selber vor kurzem die Stelle gekreuzt, so wäre ich überzeugt gewesen, daß es hohe Brandungswellen seien, die sich über einer gefährlichen Untiefe auftürmten. Schon kam die erste See wie eine lange Mauer hinter uns im Mondlicht einhergefegt. Ich rief eine Warnung und drehte das Floß in die rechte Stellung, um zu nehmen, was da kam. Als die See uns erreichte, warf das Floß den Achtersteven seitlich in die Luft und schwang sich auf den Wogenrücken, der im selben Augenblick tosend zusammenbrach, so daß es über den ganzen Kamm hin zischte und sprühte. Wir ritten durch tanzende, schäumende Wirbel, die brodelnd zu beiden Seiten über das Floß hereinquollen, während die schwere See sich unter uns vorbeiwälzte. Der Bug schwang sich zuletzt empor, als die Woge passierte, und wir glitten rücklings hinunter in ein breites Wellental. Doch da kam schon die nächste Wasserwand dahergejagt und türmte sich vor uns auf. Von neuem wurden wir elegant in die Luft gehoben. Brechend schlugen die klaren Wassermassen über unserem Steven zusammen, als wir die Kurve nahmen. Nun hatten uns die Wogen gänzlich quer gestellt, und es war unmöglich, das Floß rasch genug zu wenden. Die nächste See brauste daher und hob sich wie eine blinkende Wand aus dem Schaumstreifen. Und in dem Augenblick, da sie uns erreichte, überschlug sie sich in einem gewaltigen Brecher. Tosend stürzte er auf uns nieder. Ich wußte mir keinen Ausweg und hängte mich mit aller Kraft an einen Bambuspfosten, der aus dem Hüttendach herausstand. Da klammerte ich mich fest und hielt den Atem an, bis ich merkte, daß wir in die Höhe geschleudert wurden und alles umher in brausenden Schaumwirbeln verschwand. Plötzlich waren wir mit der »Kon-Tiki« wieder über dem Wasser und glitten langsam einen sanften Wogenrücken auf der anderen Seite hinab. Die Wellen waren wieder wie gewöhnlich. Vor uns jagten die drei schweren Wogenwände weiter übers Meer, und hinter uns tanzte eine lange Reihe von Kokosnüssen.
Die letzte Woge hatte der Hütte einen kräftigen Stoß gegeben, so daß Torstein im Radiowinkel herumgeschleudert wurde. Erschreckt von dem Krachen fuhren die anderen aus dem Schlaf, während das Wasser zwischen den Stämmen heraufspritzte und durch die Wände hereinrann. Auf der Backbordseite des Vorderdecks war das Bambusflechtwerk aufgerissen wie ein kleines Kraterloch, und der Taucherkorb am Bug war flachgeschlagen. Aber sonst war alles wie früher.
Wir erhielten nie eine sichere Erklärung, woher diese drei großen Wogen gekommen waren. Vermutlich wurden sie durch Veränderungen am Meeresboden verursacht, die in diesen Breiten nicht selten sind.
Zwei Tage später bekamen wir unseren ersten Sturm. Es begann damit, daß der Passat vollständig wegstarb. Auch die federleichten weißen Passatwolken verschwanden, die über uns im obersten Blau geschwommen waren. Rasch wurden sie von einer dicken, schwarzen Wolkenbank verdrängt, die über den Horizont im Süden herauf rollte. Schon kamen auch, meist aus ganz unerwarteten Richtungen, die ersten Böen dahergejagt. Der Steuerposten konnte nicht länger Ordnung halten. Kaum hatte er das Achterende gegen den neuen Wind gedreht, so daß das Segel wieder steif und sicher stand, so warfen sich die Windstöße schon wieder aus einer anderen Richtung auf uns und drückten die stolze Wölbung aus dem Segel, das sich knatternd wand und schlug und eine Gefahr für Last und Leute wurde. Plötzlich fuhr der Wind direkt aus der Richtung des Unwetters auf uns los. Schwarze Wolkenkulissen schoben sich drohend über den ganzen Himmel. Die steife Brise wurde immer stärker und entwickelte sich zu einem veritablen Sturm.
In unglaublich kurzer Zeit wurden die Seen um uns bis zu fünf Meter Höhe aufgewühlt. Vereinzelte Kämme schäumten sechs bis sieben Meter über den Wellentälern. Waren wir selber unten im Tal, reichten sie bis zur Mastspitze. Da hieß es »Alle Mann an Deck!« Gebückt wanden sie sich aus der Hütte.
Um die Radiostation zu
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