KON-TIKI
diesen Gegenden oben war der reine Polarwinter, und das Nordlicht züngelte in den Sternenhimmel empor, der sich pechschwarz über uns wölbte, den ganzen Tag lang. Als wir blaugefroren und pelzvermummt in die verkohlte Brandwüstenei nach Finnmarken kamen, da kroch aus einer kleinen Hütte droben in den Bergen ein munterer blauäugiger Riese mit buschigem blondem Haar. Das war Torstein Raaby. Der war zuerst nach England gekommen und auf Kurs gegangen, und darauf war er nach Norwegen in der Tromsögegend hineingeschmuggelt worden. Dort hatte er mit einem kleinen Sender in unmittelbarer Nähe des Kriegsschiffes >Tirpitz< verborgen gelegen, und zehn Monate lang hatte er täglich Berichte über alles, was an Bord vor sich ging, nach England gefunkt. Er sendete seine Meldungen mit Hilfe der Empfängerantenne eines deutschen Offiziers, in die er sich während der Nacht einschaltete. Es waren seine regelmäßigen Berichte, die die britischen Bomber dirigierten, die schließlich der >Tirpitz< den Garaus machten.
Torstein flüchtete nach Schweden und ging von dort nach England zurück und sprang im Fallschirm mit einer neuen Radiostation hinter den deutschen Linien oben in der Gegend von Finnmarken wieder ab. Als die Deutschen sich zurückzogen, fand er sich plötzlich hinter unseren eigenen Linien und kam aus seinem Versteck, um uns mit seinem winzigen Apparat zu helfen, als unsere Hauptstation durch eine Mine kaputtgegangen war. Ich wage zu schwören, daß Knut und Torstein nicht viel Freude daran haben, zu Hause herumzusitzen. Aber bestimmt hätten sie größte Lust zu einer Floßreise.«
»Na schreib und frag«, schlug Hermann vor.
So schrieb ich eben einen kurzen Brief ohne lange hinterhältige Überredungskünste an Erich, Knut und Torstein:
»Reise demnächst auf Floß quer über Pazifik, um meine Theorie zu unterbauen, daß Südseeinseln von Peru aus bevölkert. Kommt ihr mit? Garantiere nichts außer freier Reise nach Peru und Südseeinseln und zurück, und daß eure technischen Kenntnisse dringendst benötigt. Bitte um sofortige Antwort.«
Folgendes Telegramm lief umgehend ein:
»Bin dabei. Torstein.«
Die anderen sagten ebenfalls zu.
Als sechsten Mann setzten wir einen um den anderen auf die Liste, aber immer kam etwas dazwischen. Währenddessen mußten Hermann und ich an das Proviantproblem herangehen. Wir hatten keinerlei Absicht, unterwegs altes Lamafleisch oder getrocknete Kumarakartoffeln zu schlucken, wir hatten ja auch nicht die Absicht zu beweisen, daß wir selbst einmal Indianer waren. Der Sinn unserer Fahrt war, die Qualität des Inkafloßes zu erproben, seine Seetüchtigkeit und Tragfähigkeit, und ob die Elemente es wirklich quer über das Meer nach Polynesien schaukeln würden und dabei Menschen an Bord ließen. Unsere eingeborenen Vorgänger konnten leicht von trockenem Fleisch und Fisch und von gedörrten Kumaras an Bord gelebt haben, da sie sich ja im wesentlichen von denselben Dingen auch an Land ernährten. Während der Reise selbst wollten wir weiterhin untersuchen, ob sie sich frischen Fisch und Regenwasser unterwegs auf dem Meer beschaffen konnten. Als eigene Diät hatte ich mir einfache Feldrationen gedacht, so wie sie uns vom Krieg her nur zu gut bekannt waren.
In diesen Tagen bekam unser Militärattache in Washington einen neuen Herrn zugewiesen. Ich hatte als nächster Untergebener in seiner Kompanie in Finnmarken Dienst gemacht und wußte, daß er ein Feuerkopf war, der mit unbändiger Energie alle Probleme zu Ende führte, die er sich gesetzt hatte. Björn Rörholt gehörte zu jenem vitalen Typ, der sich fehl am Platze fühlt, wenn er sich durch etwas durchgebissen hat und nicht sofort eine neue Aufgabe vor sich sieht, auf die er sich stürzen kann.
Brieflich weihte ich ihn in die Situation ein und bat ihn, all seinen Spürsinn einzusetzen, um einen Verbindungsmann zum Proviantverwalter der amerikanischen Armee ausfindig zu machen. Unsere Chance war, daß das Laboratorium mit einer neuen Feldverpflegung experimentierte, die wir vielleicht auf dieselbe Weise als Versuchskaninchen erproben konnten wie das neue Rettungsgerät der Luftwaffe.
Zwei Tage später rief uns Björn von Washington an. Er hatte Kontakt mit der »Auswärtigen Abteilung« des amerikanischen Kriegsdepartments bekommen. Dort wollte man gern Näheres wissen. Mit dem ersten Zug fuhren Hermann und ich nach Washington. Wir trafen Björn in seinem Zimmer in der Militärdelegation.
»Ich glaube, daß es gehen wird«,
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