KON-TIKI
Presseleuten, die Filmkameras schnurrten, und es fehlten nur Hörnerklang und Trommelwirbel.
Eines war uns Beteiligten allen klar: Wenn das Floß sich vor der Bucht in seine Bestandteile auflöste, so wollten wir lieber jeder auf seinem Balken nach Polynesien paddeln, bevor wir hierher zurückkehrten!
Gerd Vold, Sekretärin der Expedition und Verbindungsglied zum Festland, sollte das Floß mit der Milch einer Kokosnuß taufen, teils um im Stile der Steinzeit zu verbleiben, teils aber auch, weil der Champagner durch ein Mißverständis am Boden von Torsteins Privatkiste gelandet war. Nachdem unsere Freunde auf englisch und spanisch zu wissen bekommen hatten, daß das Floß seinen Namen zur Erinnerung an den mächtigen Vorgänger der Inkas erhielt, jenen Sonnenkönig, der vor eineinhalb Jahrtausenden von Peru über das Meer nach Westen entschwand und in Polynesien wieder auftauchte, wurde das Floß von Gerd Vold »Kon-Tiki« getauft. Sie klatschte die (angespaltene) Kokosnuß so hart gegen den Stamm am Bug, daß die Milch und die Nußkerne allen in die Haare spritzten, die andächtig rundherum standen.
Dann wurde die Bambusrah gehißt, und das Segel entfaltete sich. Mitten darauf prangte groß und rot Kon-Tikis bärtiges Antlitz, eine Schöpfung von Kunstmaler Erich. Es war eine getreue Kopie vom Kopf des Sonnenkönigs, der in rotem Stein in einen Pfeiler oben in der Ruinenstadt Tiahuanaco eingemeißelt war.
»Ah, Senor Danielsson!« rief unser Vorarbeiter überwältigt, als er die bärtige Figur auf dem Segel sah.
Zwei Monate lang hatte er Bengt mit »Senor Kon-Tiki« tituliert, nachdem wir ihm das bärtige Gesicht auf einem Blatt Papier gezeigt hatten. Aber jetzt war ihm endlich eingegangen, daß »Danielsson« Bengts richtiger Name war.
Bevor wir fuhren, waren wir alle in Abschiedsaudienz beim Präsidenten. Dann machten wir noch einen Ausflug weit hinauf in den schwarzen Fels, um uns an Steinen und Abhängen zu sättigen, ehe wir unsere Reise hinaus auf den Ozean begannen. Solange wir am Floß unten an der Küste gearbeitet hatten, wohnten wir in einer Pension in einem Palmenhain vor Lima und fuhren von da hin und zurück im Auto des Luftfahrtministeriums mit einem Privatchauffeur, den Gerd für die Expedition glücklich »geliehen« bekommen hatte.
Nun baten wir den Chauffeur, uns an die Felsen heranzufahren und so weit hinein in die Berge zu bringen, als er in einem Tag schaffen konnte. So fuhren wir die Wüstenstraßen empor, an den alten Bewässerungskanälen der Inkazeit entlang, bis wir in die schwindelnde Höhe von 4000 Metern über dem Mast des Floßes kamen. Hier verzehrten wir förmlich Stein und Bergformen und grünes Gras mit den Augen und versuchten, uns an dem schönen Bergmassiv, in der Andenkette, das vor uns lag, zu überessen. Wir bildeten uns ein, daß wir des Steins und festen Grundes überdrüssig waren, so wollten wir denn hinaus und das Meer kennenlernen.
4 Über den Stillen Ozean
Dramatischer Start. Wir werden auf See geschleppt. Der Wind frischt auf. Kampf mit den Wogen. Das Leben im Humboldtstrom. Das Flugzeug findet uns nicht. Die Stämme ziehen Wasser. Holzwerk Kontra Tauwerk. Fliegende Fischgerichte. Ein rarer Schlafgenuß. Der Schlangenfisch vergreift sich. Inseln im Meer. Meeresspuk. Begegnung mit dem größten Fisch der Welt. Jagd auf Seeschildkröten.
An dem Tag, an dem die »Kon-Tiki« auf See geschleppt werden sollte, herrschte emsiges Leben und Treiben im Hafen von Callao. Minister Nieto hatte den Marineschlepper »Guardian Rio« beordert, uns aus der Bucht zu ziehen und aus dem Küstenverkehr zu lösen, bis in die Gewässer hinaus, wo die Indianer einst mit ihren Flößen gefischt hatten. Die Tageszeitungen brachten die Neuigkeit in roten und schwarzen Schlagzeilen, und das Volk lief schon früh in den Morgenstunden des 28. April auf den Kais zusammen.
Wir sechs, die wir zusammen an Bord gehen sollten, hatten alle unsere kleinen Anliegen in elfter Stunde zu erledigen, und als ich an den Kai herunterkam, war bloß Hermann als Wache auf dem Floß zur Stelle. Absichtlich ließ ich das Auto schon lange vorher halten und schritt die ganze lange Mole aus, um mir die Beine noch einmal ordentlich zu vertreten, das letzte Mal für unbekannte Zeit. Dann sprang ich an Bord des Floßes. Hier sah es schlankweg chaotisch aus. Bananenbüschel, Fruchtkörbe und Säcke hatte man in allerletzter Stunde an Bord geworfen. Sie mußten noch verstaut und vertäut werden, sobald wir uns
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