KON-TIKI
die Mole entlang, wo sie die übrige Mannschaft trafen, die ebenfalls auf eifriger Suche nach dem verschwundenen Floß war. Endlich bekamen sie das hereinkommende Rettungsboot zu Gesicht, und dann waren wir alle plötzlich wieder vereint. Das Wasser schäumte um das Floß, als uns der »Guardian Rio«
auf See schleppte.
Es war später Nachmittag geworden, als wir starteten, und der »Guardian Rio« wollte uns nicht loslassen, bevor wir nicht am nächsten Morgen frei vom Küstenverkehr waren. Gleich außerhalb der Mole bekamen wir unruhige See, und alle die kleinen Boote, die uns begleiteten, wendeten nach und nach und kehrten zurück. Nur einige von den großen Lustjachten folgten uns ganz hinaus bis zum Ausgang der Bucht, um zu sehen, wie es uns da draußen ergehen würde.
Die »Kon-Tiki« folgte dem Schlepper wie ein stoßender Bock an der Leine und steckte den Bug in die stampfenden Seen, daß das Wasser nur so über Bord schäumte. Das sah wenig vertrauenerweckend aus, denn das war hier ruhige See im Vergleich zu dem, was wir zu erwarten hatten.
Kaum waren wir mitten in der Bucht, als das Kabel, an dem das Floß hing, riß und das längere Ende auf unserer Seite langsam versank, während der Schlepper weiterdampfte. Wir legten uns entlang der Kante des Floßes platt nieder, um nach dem Ende des Kabels zu fischen, während die Jachten an uns vorbeizogen und den Schlepper anzuhalten versuchten. Nesselquallen, dick wie Bottiche, klatschten mit den Wellen entlang des Floßes auf und nieder und umgaben alle Taue mit einem schleimigen und brennenden Belag. Wenn das Floß sich hob, hingen wir flach über die Kante und angelten mit den Armen gegen die Wasserfläche hinunter, bis die Hände das glitschige Kabel berührten. Wenn dann das Floß wieder hinuntertauchte, steckten plötzlich alle Mann ihren Kopf tief in die Wellen, während sich Salzwasser und Riesenquallen über unsere Rücken ergossen. Wir spuckten und fluchten und zogen uns die Quallenfäden aus dem Haar. Aber als der Schlepper zurückkam, war das Kabelende wieder an Deck und klar zum Spleißen. Als wir es dann an Bord des Schleppers werfen wollten, trieben wir plötzlich unter das überhängende Heck des Schiffes und waren in Gefahr, durch den Wasserdruck zerquetscht zu werden. Wir ließen alles liegen und stehen, was wir in Händen hatten, und bemühten uns, uns mit Bambusstangen und Paddelrudern freizuhalten, bevor es zu spät war. Aber wir kamen nie richtig zurecht, denn wenn wir in einem Wellental waren, erreichten wir das Eisendach über uns nicht, aber wenn das Wasser uns wieder hob, dann schlug der ganze Steven des »Guardian Rio« in den Wasserspiegel und hätte uns flachgedrückt, wenn wir in den Sog geraten wären. Oben an Deck lief das Volk durcheinander und schrie. Endlich begann der Propeller neben uns sich in Gang zu setzen, und das half uns, von dem Strudel unter dem »Guardian Rio« in letzter Minute klarzukommen. Der Bug des Floßes hatte einige kräftige Schläge auszuhalten gehabt und hing nun etwas windschief in den Zurrungen, aber das richtete sich langsam von selbst zurecht.
»Wenn etwas so schlecht anfängt, dann muß es ja gut gehen«, sagte Hermann, »wenn nur dieses Schleppen ein Ende hat, ehe es das Floß in Stücke zerreißt.«
Aber die Schlepperei dauerte in langsamer Fahrt die ganze Nacht und verlief bis auf ein paar kleine Zwischenfälle glatt. Längst hatten uns die Jachten Lebewohl gesagt, und das letzte Leuchtfeuer war achteraus verschwunden. Nur einige wenige Schiffslichter passierten uns im Dunkeln. Wir teilten die Nacht in Wachen, um ein Auge auf das Kabel zu halten, und alle taten einen guten Schlaf. Als es wieder tagte, lag dichter Nebel über der Küste von Peru, während wir einen strahlend blauen Himmel im Westen vor uns hatten. Die See rollte in langen, ruhigen Dünungen, von leichten Schaumkämmen gekrönt, und Kleider und Baumstämme und alles, was wir in die Hand nahmen, war dampfend naß vom Tau. Es war kühl, und das grüne Wasser um uns war erstaunlich kalt für zwölf Grad südlich des Äquators. Es war der Humboldtstrom, der seine kalten Wassermassen von der Antarktis heraufwälzte, sie nach Norden die ganze peruanische Küste entlangschob, um dann dicht unterhalb des Äquators nach Westen hinaus über das Meer zu biegen.
Hier draußen waren Pizarro, Zarate und die anderen frühen Spanier das erste Mal auf die großen Segelflöße der Inka-Indianer gestoßen, die sich fünfzig bis sechzig Seemeilen
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