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KON-TIKI

KON-TIKI

Titel: KON-TIKI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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plötzlich Lust auf einen Apfel, und ich selbst wachte in der Nacht auf, weil ich deutlich das Aroma eines prächtigen Beefsteaks mit Zwiebeln verspürte. Aber es war leider nur ein dreckiges Hemd.
    Schon am nächsten Vormittag entdeckten wir zwei neue Wolken, die wie Dampf aus zwei Lokomotiven hinter dem Horizont aufstiegen. Nach der Karte mußten das die Koralleninseln Fangahina und Angatau sein. Die Wolke über Angatau lag uns am günstigsten, so wie der Wind jetzt stand. Daher setzten wir Kurs auf sie, zurrten das Ruder fest und genossen noch einmal die Ruhe und Freiheit des Stillen Ozeans. Herrlich war das Dasein an einem schönen Tag auf dem Bambusdeck der »KonTiki«. Im Bewußtsein, daß jetzt die Reise jedenfalls bald zu Ende war, erlebten wir das voller und tiefer als sonst.
    Drei Tage lang steuerten wir auf die Wolke über Angatau. Das Wetter war strahlend, das Ruder hielt den Kurs auch ohne uns, und die Strömung spielte uns keine Possen. Als am vierten Morgen um sechs Uhr Hermann die Wache an Torstein übergab, glaubte Hermann, er hätte Konturen einer niedrigen Insel im Mondschein gesehen. Als die Sonne kurz darauf emporkam, steckte Torstein den Schädel in die Hüttentür und schrie:
    »Land in Sicht!«
    Wir stürzten alle Mann an Deck, und was wir sahen, ließ uns alle Flaggen hissen. Zuerst die norwegische achtern, dann die französische im Topp, weil wir gegen eine französische Kolonie steuerten. Bald wehte die ganze Sammlung auf dem Floß im frischen Passat, die amerikanische, peruanische, schwedische und britische, außerdem die Flagge des »Explorers Club«. So konnte kein Zweifel an Bord aufkommen, daß die »Kon-Tiki« zum Fest geschmückt war. Die Insel lag nämlich diesmal ideal für uns, direkt in unserem eigenen Kurs und kaum weiter von uns entfernt als Puka-Puka vor vier Tagen bei Sonnenaufgang. Als die Sonne in unserem Rücken emporstieg, bekamen wir deutlich einen grünen Lichtschein gegen den diesigen Himmel über der Insel zu sehen. Es war dies der Widerschein von der stillen grünen Lagune auf der Innenseite des Riffs. Manche der niedrigen Atolle werfen solche Spiegelbilder viele tausend Meter in die Luft, so daß sie ihre Position den eingeborenen Seefahrern verraten, viele Tage, ehe noch die Insel selbst über dem Horizont erscheint.
    Gegen zehn Uhr nahmen wir das Steuerruder wieder zur Hand. Nun mußten wir bestimmen, auf welchen Teil der Insel wir zusteuern wollten. Wir konnten bereits einzelne Baumkronen unterscheiden und sichteten undeutlich Reihen von sonnenhellen Baumstämmen gegen das dichte, schattige Laubwerk des Hintergrunds.
    Wir wußten, irgendwo zwischen uns und der Insel lag ein lebensgefährliches Riff und lauerte auf alles, was gegen die unschuldsreine Insel getrieben kam. Die enormen Wassermassen, die in freien, tiefen Dünungen aus dem Osten gerollt kamen, verloren über der Untiefe das Gleichgewicht, als hätte man ihnen ein Bein gestellt. Sie schäumten in die Luft und wälzten sich mit Donnerbrausen über die scharfen Korallenblöcke. Viele Fahrzeuge sind in den furchtbaren Sog gegen die Unterwasserriffe der Tuamotu-Gruppe geraten und wurden vollständig zerschmettert.
    Vom Meer aus sahen wir nichts von dieser tückischen Fallgrube, wir trieben hinein mit den Wogen und sahen bloß See um See mit krummem, blankem Rücken auf die Insel zulaufen. Das Ringriff mit seinem schäumenden Hexentanz blieb uns hinter steigenden Reihen von breiten Wogenrücken verborgen. Aber von beiden Enden der Insel, dort, wo wir den Strand im Profil sahen, im Norden wie im Süden, bemerkten wir, daß das Meer ein paar hundert Meter vor dem Land weißschäumend kochte und hoch in die Luft sprühte.
    Wir nahmen einen Kurs, der die Außenseite des Hexenkessels im Süden der Insel berührte, und hofften, wir könnten so am Riff entlangsteuern, bis wir entweder um die Landspitze auf die Leeseite kamen, oder bis wir auf jeden Fall einen Punkt berührten, wo es so flach war, daß wir unsere Bewegung mit einem improvisierten Anker stoppen konnten und abwarten, bis sich der Wind einmal drehte und wir selbst in Lee liegenblieben.
    Um zwölf Uhr konnten wir im Fernstecher sehen, daß die Vegetation an Land aus jungen, grünen Kokospalmen bestand. Ihre Kronen schlossen sich dicht über einer wogenden Vordergrundshecke von üppigem, kleinem Buschwerk zusammen. Drinnen am Strand lag eine Reihe großer Korallenblöcke verstreut über den hellen Sand. Weiße Vögel, die über die Palmengruppen

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