Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
KON-TIKI

KON-TIKI

Titel: KON-TIKI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
Vom Netzwerk:
sich bei dieser ägyptischen Finsternis zur Öffnung im Korallenriff durchzutasten. Er schlug vor, den Anführer der Eingeborenen mitzunehmen, der konnte ihm den Weg zeigen. Ich fand auch nicht, daß diese Idee überzeugend war. Der Eingeborene hatte keine Erfahrung in der Behandlung eines schwerfälligen Gummibootes bei einer engen und gefährlichen Durchfahrt. Aber ich bat ihn, den Anführer zu holen, der vorn im Dunkel mitpaddelte. Da würden wir zu hören bekommen, was er von der Situation hielt. Es war deutlich genug, daß es nicht länger möglich war, die Abtrift hintanzuhalten.
    Knut verschwand im Dunkel, um den Mann zu holen. Als eine Zeit verging, ohne daß die beiden zurückkamen, riefen wir ihm nach. Ein gackernder Chor von Polynesiern war die einzige Antwort. Knut war in der Dunkelheit verschwunden. Im gleichen Augenblick begriffen wir, was geschehen war. In all dem Aufruhr, Lärm und Wirbel hatte Knut den Bescheid mißverstanden und war mit dem Eingeborenen zum Land gerudert. Wie wir auch riefen, es war nutzlos. Dort, wo Knut jetzt war, wurde alles vom Donnern der Brandung übertönt.
    Eilig suchten wir die Morselampe heraus. Ein Mann kroch in die Mastspitze und signalisierte: »Komm zurück! Komm zurück!«
    Aber niemand kam. Da jetzt zwei Mann fehlten, weil einer ständig in der Mastspitze saß und signalisierte, vermehrte sich die Abtrift, und wir anderen begannen wirklich müde zu werden. Wir warfen Seemarken aus und sahen, daß es langsam, aber sicher, nach rückwärts ging. Das Feuer wurde kleiner und das Brüllen der Brandung bescheidener. Je weiter wir aus dem Schütze der Palmenwälder herauskamen, desto besser konnte uns der ewige Ostwind packen. Wir erkannten ihn wieder, nun war es bald wie draußen auf dem Meer. Aber wir durften nicht aufhören zu paddeln. Wir mußten die Abtrift mit all unserer Kraft bremsen, bis Knut wieder heil an Bord war.
    Fünf Minuten vergingen, zehn Minuten, eine halbe Stunde, das Feuer wurde kleiner, ab und zu verschwand es vollständig, wenn wir selbst in ein Wogental glitten. Die Brandung wurde ein fernes Grollen.
    Nun kam der Mond herauf. Wir sahen, wie die Mondscheibe hinter den Palmenkronen an Land erglänzte, aber der Himmel war diesig und halb bewölkt.
    Wir hörten, wie die Eingeborenen zu murmeln und zu beraten begannen. Plötzlich merkten wir, daß eines von den Kanus sein Tau in See warf und verschwand. Die Mannschaften der drei anderen Kanus waren müde und ängstlich und legten sich nicht mehr mit voller Kraft in die Riemen. Die »Kon-Tiki« trieb hinaus auf das offene Meer. Bald wurden auch die drei anderen Taue schlaff, und die Kanus stießen gegen die Kante des Floßes. Einer der Eingeborenen kam an Bord und sagte ruhig mit einer Kopfbewegung: »Juta« - gegen Land.
    Er sah bekümmert gegen das Feuer, das jetzt jedesmal lang verschwunden war, und nur ab und zu wie ein Funken hervortanzte. Wir trieben davon. Die Brandung war verstummt, nur die See brauste wie früher, und es knirschte und schrie in allen Tauen.
    Wir gaben den Eingeborenen reichlich Zigaretten mit. In aller Eile kritzelte ich einen Zettel voll. Sie sollten ihn mitnehmen und Knut geben, wenn sie ihn fanden. Darauf stand geschrieben:
»Nimm zwei Eingeborene mit im Kanu und das Gummiboot im Schlepp. Komm nicht allein im Gummiboot zurück!«
    Wir rechneten damit, daß die hilfsbereiten Insulaner Knut im Kanu mitnehmen würden, wenn sie es ratsam fanden, hinauszufahren. Fanden sie es nicht ratsam, so war es Wahnwitz, wenn Knut sich allein im Gummiboot aufs offene Meer wagte, in der schwachen Hoffnung, das ausreißerische Floß wieder einzuholen. Die Eingeborenen ergriffen den Zettel, sprangen in die Kanus und verschwanden in der Nacht. Das letzte, was wir hörten, war eine durchdringende Stimme, die draußen im Dunkel rief:
»Good night!«
    Wir hörten noch ein anerkennendes Gemurmel von den weniger Sprachkundigen, dann war wieder alles still und frei von fremden Lauten wie in der Zeit, als wir tausend Seemeilen vom nächsten Land waren. Es war sinnlos für uns vier, unter vollem Winddruck hier draußen auf dem offenen Meer noch mit den Paddelrudern zu arbeiten, aber wir setzten die Lichtsignale von der Mastspitze fort. Wir wagten nicht länger »Komm zurück!« zu morsen, wir gaben nur mehr gleichmäßige Blinksignale. Es war stockfinster. Der Mond kam nur in vereinzelten Augenblicken durch die Wolkenschichten hervor. Wir mußten Angataus Kumulonimbuswolke über uns haben.
    Schlag zehn

Weitere Kostenlose Bücher