Konfessor - 17
nicht fürchten vor dem, was du gleich sehen wirst. Da ist nichts, wovor man sich fürchten müsste, versprochen.«
Während sie den Gang entlangeilten, wuchs ihre Sorge. Ihre Mutter hatte ihr geholfen, und nun wollte sie ihr den gleichen Gefallen tun. Trotzdem, es klang, als könnte es beängstigend sein. Wenn einem jemand erklärte, man solle keine Angst haben, bedeutete das für gewöhnlich, dass da etwas Furchterregendes war. Trotzdem, schlimmer als die gemein aussehenden Männer, die sie mit ihren Blicken musterten, oder als die Hexe konnte es kaum sein.
Chase hatte ihr beigebracht, dass Angst etwas ganz Normales sei, dass man sie aber überwinden müsse, um sich selbst zu helfen. Angst, sagte er immer, könne einen nicht retten, wohl aber ihre Überwindung. Rachel blickte auf zu ihrer wunderschönen Mutter. »Für wen ist die Nachricht?«
»Sie soll einem Freund helfen. Richard.« »Richard Rahl? Du kennst Richard Rahl?«
Ihre Mutter sah nach unten. »Du kennst ihn, darauf kommt es an. Du weißt, dass er allen zu helfen versucht.« Sie nickte. »Das stimmt.«
»Nun, er wird Unterstützung brauchen. Du musst ihm eine Nachricht von mir überbringen, damit wir dafür sorgen können, dass er die nötige Unterstützung auch bekommt.«
»Einverstanden. Ich helfe ihm gern. Ich liebe Richard.« Ihre Mutter nickte. »Gut. Er hat deine Liebe auch verdient.« Vor einer schweren Tür blieb sie zögernd stehen, drückte dann Rachels Hand. »Hab jetzt keine Angst, einverstanden?« Rachel, Schmetterlinge im Bauch, sah ihre Mutter aus großen Augen an. »Einverstanden.«
»Da ist nichts, wovor man sich fürchten muss. Versprochen. Außerdem bin ich ja bei dir.«
Rachel nickte. Dann stieß ihre Mutter die Tür in die kalte Nachtluft auf. Durch die Türöffnung konnte Rachel sehen, dass der Mond am Himmel stand, und weil sie in ihrer düsteren Zelle nur das Licht einer Lampe gesehen hatte, konnte sie draußen alles einigermaßen gut erkennen. Es schien ein von steinernen Mauern umgebener Innenhof zu sein, groß genug nicht nur für Büsche, sondern sogar für Bäume. Zusammen traten sie hinaus in die frostige Dunkelheit.
Dann erblickte sie die leuchtend grünen Augen, die auf sie herabstarrten, und erstarrte.
Der Atem blieb ihr in der Kehle stecken und verhinderte so, dass der in ihrem Innern aufgestaute Schrei hervorbrach. Gewaltige Flügel öffneten und spreizten sich, und da der Mond sie von hinten beschien, konnte sie die Adern in der über den Flügeln gespannten Haut pulsieren sehen.
Ein Gar.
Rachel wusste einfach, im nächsten Augenblick würde die Bestie sie beide in Stücke reißen.
»Hab keine Angst, Rachel«, sagte ihre Mutter mit begütigender Stimme. Rachel war außerstande, ihre Beine zu bewegen. »Was?« »Das ist Gratch. Gratch ist ein Freund von Richard.« Sie wandte sich der mörderischen Bestie zu, legte ihr eine Hand auf den pelzigen Arm und streichelte sie beruhigend. »Nicht wahr, Gratch?« Das Maul klaffte auf. Riesige Reißzähne schimmerten im Schein der Laterne. Sein dampfender Atem drang zischend zwischen diesen Fängen hervor und stieg in die kalte Luft.
»Grrratch liiieb Raaaach aaarg«, knurrte die Bestie. Rachel war fassungslos. Genau genommen war es gar kein Knurren, vielmehr hatte es fast so wie Worte geklungen. »Hat er etwa gerade gesagt, er liebt Richard?« Gratch nickte eifrig, und Rachels Mutter ebenso. »Ganz recht. Gratch liebt Richard, genau wie du.« »Grrratch liiieb Raaach aaarg«, wiederholte die Bestie. Diesmal konnte Rachel sie schon besser verstehen. »Gratch ist hier, um Richard zu helfen. Aber dich brauchen wir auch.«
Endlich löste Rachel den Blick von der riesigen Bestie und sah zu ihrer Mutter.
»Aber was kann ich denn tun? Ich bin nicht so groß wie Gratch.« »Nein, bist du nicht. Genau deswegen kann er dich tragen. Und auf diese Weise kannst du deine Nachricht überbringen.«
52
Aufwinde schlugen Richard entgegen, als er auf der schmalen, vom Palast des Volkes an der Seitenwand der Hochebene hinabführenden Straße stand. Nathan, links neben ihm, beugte sich über den Rand, um einen Blick in den jähen Abgrund zu werfen. Selbst in Augenblicken wie diesen war der Prophet noch von einer geradezu kindlichen Neugier besessen - auch wenn es die eines tausendjährigen Kindes war. Vermutlich, überlegte Richard, blieb so etwas nicht aus, wenn man sein ganzes Leben als Gefangener gehalten worden war.
Nicci, rechts von ihm, war eher schweigsam. Er konnte nicht
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