Konfessor - 17
sagen, dass er ihr einen Vorwurf daraus machte. Verna und Cara warteten hinter ihm, beide sichtlich in der Gemütsverfassung, irgendjemanden über den Klippenrand zu stoßen. Doch dem äußeren Anschein zum Trotz war es wohl eher Nathan, der in einer solchen Stimmung war. Seit er von der Ermordung Anns erfahren hatte, kochte er innerlich, ein stummer Zorn, den Richard nur zu gut verstehen konnte. Zahnräder quietschten, und der schwere Widerhaken ratterte, als die Gardesoldaten an der schwergängigen Kurbel zum Herunterlassen der Brücke drehten. Während sich die schweren Balken und Planken allmählich senkten, konnte Richard endlich auch das Gesicht des einzelnen Soldaten erkennen, der auf der gegenüberliegenden Seite wartete. Als Erstes erblickte er seine dunklen Augen, die ihn über den Schlund hinweg anstarrten.
Der junge Mann, groß und kräftig, mit mächtiger Brust und Armen, hatte gerade erst das beste Mannesalter erreicht. Fettige Haarsträhnen hingen bis auf seine kräftigen Schultern. Er schien sein Leben lang noch kein Bad genommen zu haben. Richard konnte ihn über den Schlund hinweg riechen.
Uber das Reisebuch, das Verna noch immer mit sich führte, hatte der Kaiser Verbindung zu ihnen aufgenommen. Dessen Gegenstück hatte Ann viele Jahre lang bei sich getragen, doch nun befand es sich in Schwester Ulicias und somit in Jagangs Besitz. Verna war von der Kontaktaufnahme vollkommen überrascht worden, Richard dagegen nicht im Mindesten. Er hatte damit gerechnet.
Tatsächlich hatte er sie sogar aufgefordert, in ihrem Reisebuch nachzusehen.
Jagang hatte um eine Zusammenkunft gebeten und sie wissen lassen, er werde alleine kommen - seiner Sicherheit wegen allerdings im Verstand eines seiner Männer. Richard dagegen durfte mitbringen, wen immer er wollte und so viele er wollte, sogar eine ganze Armee. Das Leben des Soldaten scherte Jagang wenig, nach seinem Bekunden wäre es ihm sogar egal, wenn sie beschließen sollten, ihn zu töten. Aus eigener Erfahrung wusste Richard, dass es unmöglich war, des Traumwandlers habhaft zu werden, wenn er sich im Verstand eines anderen befand. Selbst nach der Berührung durch Kahlans Konfessorinnenkraft hatte er sich der Gefahr noch mühelos entziehen können. Also gab er sich trotz all der mit der Gabe Gesegneten in seiner Begleitung keinen Illusionen hin, dass jemand von ihnen imstande wäre, ihn zu ergreifen.
Der Soldat selbst war selbstverständlich bereits tot. Doch soweit es Jagang betraf, war dies nichts weiter als das Opfer, das er für die Sache bringen musste.
Nein, die Personen in seiner Begleitung waren aus ganz anderen Gründen mitgekommen.
Zu guter Letzt senkte sich die Zugbrücke mit dumpfem Aufprall an ihren Platz. Richard hatte der Brückenbesatzung sowie den dortigen Gardisten bereits seine Instruktionen gegeben, so dass sie sich nach Herunterlassen der Brücke auf sein Handzeichen hin die Straße hinauf zurückzuziehen begannen.
Kaum waren sie außer Hörweite, betrat Richard die Zugbrücke. Seine Begleiter mussten sich beeilen, um dicht hinter ihm zu bleiben. Der Mann am anderen Ende wartete einen Moment, ehe er, die Daumen lässig in den Waffengurt gehakt, ganz gemächlich bis zur Brückenmitte vortrat und dort in arroganter Körperhaltung stehen blieb. Als sie einander gegenüberstanden, waren die dunklen Augen des Mannes - Jagangs finsterer Blick - auf Nicci gerichtet. Trotz der offenkundigen Verärgerung seines durch seine Augen blickenden Herrn, machte der junge Kerl kein Hehl aus seiner Lust auf das, was ihm geboten wurde. Ohne die anderen auch nur zu beachten, konzentrierte er sich ganz auf die vor ihm stehende blonde Frau in dem freizügigen schwarzen Kleid. Der Ausschnitt über dem Leibchen gewährte einen ausgiebigen Einblick, an dem sich der junge Bursche überaus interessiert zeigte.
»Was wollt Ihr?«, fragte Richard in absolut nüchternem Ton. Die Augen des jungen Kerls - Jagangs - richteten sich kurz auf Richard, ehe sie wieder zu Nicci hinüberschwenkten. »Nun, Schätzchen«, sagte die tiefe Stimme, »wie ich sehe, ist es dir abermals gelungen, mich zu betrügen.«
Nicci betrachtete ihn lediglich mit vollkommen gleichgültiger Miene. »Ihr habt gesagt, Ihr wolltet mich treffen.« Richard war bemüht, ruhig zu bleiben. »Was ist Euch so wichtig?«
Der herablassende Blick schwenkte zu Richard. »Nicht mir, Junge. Dir.«
Richard zuckte die Achseln. »Also gut, dann eben mir.« »Liegt dir eigentlich etwas an all den Menschen
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