Konfetti im Regen
wirkte jetzt einsam und bindungslos. Der Mann, der »bourgeois«, schien nur ein Typ zu sein, der versuchte, seiner Familie zu einem schönen Leben zu verhelfen, und in einer Midlife-crisis steckte. Und Iris Thorne spürte einen Stich wegen der Nachmittage mit John Somers in seinem Zimmer, dachte darüber nach und fragte sich, wie sie von dort bis hierher gekommen war.
»Dad, ist das nicht Iris?«
»Ja, das ist Iris.«
»Wann?«
»Auf dem College.«
»Du hast mir nicht erzählt, daß du sie schon auf dem College gekannt hast.«
»Es kam nicht zur Sprache.«
»Wart ihr Freund und Freundin?«
»Ja.«
»Hast du mit ihr geschlafen?«
Somers sah seine Tochter an, wollte lügen, ließ es dann.
»Ja... aber wir waren auf dem College. Wir waren... fast erwachsen. Wir waren erwachsen. Und vorsichtig. Nummer Sicher... verstehst du?«
»Ich begreife, Dad. Warum habt ihr Schluß gemacht?«
Somers seufzte. Eine Zeitlang hatte er Iris’ schönen Traum geteilt und sich ein anderes Leben vorgestellt als das eines weiteren Bullen in der Familie. Seine Zeugnisse waren nicht gut genug, um gemeinsam mit Iris am Studienprogramm in Europa teilzunehmen, und er sah darin nur das erste Mal, daß sie ihn hinter sich lassen würde. Allerdings hatte er sich auch nicht sehr bemüht, um mit ihr gehen zu können. Er sagte, er wollte lieber bleiben. Und wer interessierte sich denn überhaupt dafür, da rüber zu gehen? In Wirklichkeit hatte er Angst vor dem Unbekannten. Er hatte seine Gefühle unter einer Decke von draufgängerischem Männlichkeitswahn versteckt. Jetzt wirkte das dumm, aber so hatte er damals gefühlt. Er war eben noch jung gewesen.
Er traf sich mit anderen Mädchen, wie sie gerade kamen, und Barbara war schwanger geworden. Sie waren unvorsichtig, wie er und Iris es nie gewesen waren, aber Iris hielt mit eiserner Faust an ihrer Zukunft fest und hätte nie einen solchen dummen Fehler gemacht. Somers tat das Richtige, heiratete, ließ die Vergangenheit hinter sich, sorgte für seine Familie und dachte, er sei glücklich. Er hatte viel zu tun und nicht die Zeit, darüber nachzudenken, was hätte sein können oder was war. Aber nach und nach hatten sich nachdenkliche Augenblicke eingeschlichen, ungebeten, und auch wenn er seine Tochter liebte und nie die Ereignisse rückgängig machen würde, durch die sie entstanden war, wunderte er sich über diese sorglosen Zusammentreffen mit Barbara und darüber, wie er so einfach ins Familienleben gerutscht war. Es war, als ob die körperliche Gefahr, ein Polizist zu sein, nicht so furchterregend war wie die Erforschung der Grenzen seiner eigenen Möglichkeiten.
»Wir haben uns in verschiedene Richtungen entwickelt.«
»Oh. Hier ist Oaxcatil. Es ist nördlich von Mexico City, hier.« Chloe zeigte auf einen kleinen Punkt auf der Karte.
»Sieht wie ein Kuhdorf aus. Ich frage mich, ob Camarena und seine Tijuana-Polizei da unten mir vielleicht helfen können.«
Er sah auf die Uhr. Es war neun. »Ich versuch’ es bei ihm zu Hause.«
Somers ging nach oben, um das Telefon im Arbeitszimmer zu benutzen.
Camarena war zu Hause und freute sich, von Somers zu hören. Kumpel für immer seit dem Fall, an dem sie gemeinsam gearbeitet hatten. Somers machte Pläne, am nächsten Tag, Sonntag, mit dem Auto nach Tijuana zu fahren. Dies würde die Kommunikation mit Oaxcatil leichter machen als ein Gespräch um drei Ecken. Somers würde den ganzen Tag bleiben. Sie würden ihn genießen. Hunderennen, alles.
Somers kletterte wieder auf das Bett. »Erledigt.«
Das Telefon klingelte.
»Iris. Was für eine Überraschung. Wie geht es dir?«
»Gut...«
»Was ist los?«
»Hör mal, es tut mit leid, daß ich heute gegangen bin. Du machst nur deine Arbeit.«
»Ist in Ordnung. Ich weiß, daß meine Arbeit scheußlich ist.«
»Sie muß schwer sein, tagein, tagaus.«
»Wir haben dafür diesen makabren Sinn für Humor.«
»Wirklich?«
»Aber ich will dir das ersparen.«
Lachen. Schweigen.
»Sieh mal, John. Ich muß dir was erzählen.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Joe Campbells Vater könnte etwas über den Mord an Alley wissen.«
»Joe Cambells Vater? Wie kommst du darauf?«
»Ich... hab’ etwas gehört. Ich denke, du solltest dich darum kümmern.«
»Was hast du gehört?«
»Ich habe einfach was gehört, ja? Können wir es nicht dabei belassen?«
»Warum willst du es mir nicht erzählen?«
»Es ist einfach etwas, das jemand gesagt hat. Ich kann mich nicht einmal genau daran
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