Konfetti im Regen
Unkraut war über einen Meter hoch, schwer von spitzen Samen, die sich überall festsetzten.
Sie stellten den Karton auf den Kamm des Hügels, die Unterseite bergabwärts. Iris schob sich hinein, und Somers legte sich auf sie und umfaßte ihre Taille. Durch ihr T-Shirt konnte er ihre Rippen fühlen. Sie drückten ihre Gesichter an die knapp einen Zentimeter breite Öffnung am Boden des Kartons, wo die Klappen zusammenkamen. Somers stieß sich ab, den Hügel hinunter. Sie flogen durch das rutschige Unkraut, gewannen an Geschwindigkeit, die Felsen und Dreckklumpen schickten den Karton auf eine wilde Flugbahn, der Hund rannte bellend nebenher, und John und Iris schrien, sahen nur das gelbe Unkraut aufblitzen. Sie trafen auf ein Loch, aus dem sie wieder herausflogen, und sie rollten einen Hügel hinunter, bis sie schließlich liegenblieben.
Somers drehte sich auf den Rücken und lachte den blauen Himmel an.
Iris stand über ihm, hielt den kaputten Karton an einer Klappe fest, grinste, japste, fiel dann in das hohe Unkraut, das sie vor der Welt versteckte. Beide blickten zum Himmel hinauf, während der trockene Wind die Gräser um sie herum bewegte.
»Sch, hör mal!« sagte Iris.
Sie legte das Ohr auf den Boden, und er machte es ihr nach.
Die Gräser unter seinem Ohr raschelten, knackten und surrten. »Das ist eine andere Welt.«
Ihre Beine waren voller oberflächlicher Schürfwunden, blutig und schmutzig. Somers küßte Iris’ Blutergüsse, die sich bereits rot auf ihrer hellen Haut sehen ließen. Er küßte ihr Gesicht und streichelte das zerzauste Haar. Sie schob die Hände unter sein T-Shirt und legte die Wange an seine Brust. Sie zog seine Shorts herunter und setzte sich rittlings auf ihn. Sie liebten sich, und Somers starrte in den Himmel, der so hell war, daß seine Augen schmerzten, und er fühlte sich eins mit den Eidechsen und Spinnen unten und den Krähen und Tauben oben und dem Hund, der neben ihnen hechelte, und mit Iris. Jede Pore war geöffnet, jeder Nerv sensibilisiert. Es war einfach und perfekt. Er wollte Iris für immer festhalten.
Iris entfernte den Zuckerguß von einem Butternußkuchen. Sie nahm die Pekannüsse herunter und holte mit den Fingern die Zimtfüllung heraus, die sie mit einem Schluck Champagner herunterspülte. Sie schaltete mit der Fernbedienung durch die fünf Millionen Kabelkanäle. Ein Asiate schlug auf einen Schreibtisch, sein Koreanisch wurde unten auf dem Bildschirm in einer Reihe von Buchstaben in Mandarin, Vietnamesisch und Tagalog übersetzt. Ein Krankenhaus versprach Hilfe. Kinder außer Rand und Band? Frau depressiv? Mann Alkoholiker? Laden Sie sie hier ab! Ein naturkundliches Programm zeigte, wie kleine Wasserschildkröten aus ihren Eiern schlüpften und über den Strand zum Wasser huschten. Iris fing an zu weinen.
Sie schaltete um auf einen Film, in dem die Leute viel redeten und rauchten. Es war ein fader künstlerischer Film in Französisch mit Untertiteln. Das Mädchen nannte den Mann »bourgeois«. Iris erinnerte sich an die Zeit, da das ein Schimpfwort war.
Sie erinnerte sich, daß sie jeden französischen und italienischen Film, der im College gezeigt wurde, gesehen hatte, sich in der Dunkelheit nach einstürzenden Gebäuden, alter Kunst, dickem Kaffee, stinkenden Zigaretten, feinen Aperitifs und glutäugigen Männern mit aufreizendem Verhalten gesehnt hatte. Ooohhh, là, là.
Somers war großartig. Mit ihm hatte man Spaß. Er war ein Kumpel. Doch er war so... hausbacken. Groß und sommersprossig, mit einem Gesicht so offen wie ein Scheunentor. Man sehnt sich nicht nach jemandem, den man in der Cafeteria kennengelernt hatte und der merkwürdige Sachen erzählte, oder?
Sie nahm Somers mit ins Kino, und hinterher liebten sie sich. L’Amour, L’Après-midi. Wie im Film. In John Somers’ Zimmer im Studentenwohnheim, mit der Sonne, die durch das einzige Fenster strömte, und dem Zimmergenossen, der nachmittags im Labor war. Sie lernte jeden Zentimeter von John Somers’ Körper kennen, erforschte ihn mit der Neugier des Neulings und der Muße der Jugend, wobei die einzige Strafe darin bestand, die Vorlesung um vier Uhr zu verpassen. Dann schliefen sie, wobei Somers sie in den Armen hielt, damit sie nicht aus dem schmalen Bett fiel, und Iris träumte von weit entfernten Orten.
Iris naschte mit den Fingern vom Kuchen und sah sich den Film an. Chloe, die Hauptperson, die Iris einst für freigeistig und unkonventionell und unglaublich schick gehalten hatte,
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