Konfliktmanagement
niemanden mehr disziplinieren dürfen. Jedes Verhalten eines Vorgesetzten wie Kritik, Ermahnungen oder Anweisungen könnte schließlich zum Mobbing erklärt werden. Betriebsräte könnten mit allen möglichen Beschwerden und Bagatellen überschwemmt werden. Kleinere Gemeinheiten, Kränkungen, Konflikte und Kollegenscherze, die vorher stillschweigend hingenommen wurden, wären nun Mobbing und würden dadurch unnötig aufgebauscht. Und könnte nicht im schlimmsten Fall Mobbing sogar vorgetäuscht werden, um jemandem zu schaden?
Kurzum: Kommt es nicht zu einem Bumerangeffekt, wenn man zu unkritisch mit dem Begriff umgeht? Einige dieser Einwände sind tatsächlich diskussionswürdig, andere lassen eher auf Verdrängungsstrategien oder unbegründete Ängste schließen. Es lohnt sich daher, genau hinzusehen. Die nächsten Seiten werden Ihre Sensibilität für das Thema schärfen.
Zur Häufigkeit von Mobbing
Naturgemäß lässt sich die Verbreitung von Mobbing schwer erfassen und nur grob schätzen. Dennoch sind die Zahlen beunruhigend. Deutsche Studien kamen auf eine Mobbing-häufigkeit von 2,7–2,9 %, europäische Studien ergaben Mittelwerte von 1–4 %. Selbst bei einer Quote von 2,7 % in Deutschland kommt man bei geschätzt 39 Millionen Berufstätigen auf rund 1 Millionen Personen! Bereiche, die besonders von Mobbing betroffen zu sein scheinen, sind das Gesundheitswesen, das Erziehungswesen, die öffentliche Verwaltung und das Kreditwesen. Untersuchungen zeigen aber, dass es letztlich keine „mobbingfreie“ Zone gibt. Das Phänomen Mobbing zieht sich durch alle Berufsgruppen, Branchen und Betriebsgrößen sowie Hierarchiestufen und Tätigkeitsniveaus.
Geschlechtsspezifisches Mobbing?
Sind Frauen häufiger von Mobbing betroffen als Männer? Zunächst einmal hat es den Anschein. Nach Auskunft des deutschen Mobbing-Reports von 2002 (der bisher einzigenlandesweiten Untersuchung dieser Art) waren Frauen sowie jüngere Berufstätige bis zu 25 Jahren, darunter vor allem Auszubildende, besonders gefährdet. Weibliche Beschäftigte waren demnach mit 3,5 % deutlich häufiger von Mobbing betroffen als ihre männlichen Kollegen (2,0 %). Ihr Mobbingrisiko lag also deutlich höher als dasjenige der Männer. Zunächst vermutete man, dass dies in der Sozialisation von Frauen begründet sei. Demnach träten sie weniger selbstbewusst auf und gingen Konflikten eher aus dem Weg. Aus der Stressforschung weiß man aber, dass Frauen eher bereit sind, sich zu gesundheitlichen Themen zu äußern und zuzugeben, dass sie einer Situation hilflos gegenüberstehen. Folglich nehmen Frauen tendenziell eher an Mobbinguntersuchungen teil.
Gerne wird in diesem Zusammenhang die Zahl zitiert, dass fast 60 % aller Opfer (männlich und weiblich) von einem Mann gemobbt werden, während rund 40 % hauptsächlich von einer Frau gemobbt werden. Dies hat man u. a. durch die höhere Anzahl der männlichen Erwerbstätigen (Erwerbsquote) erklärt. Schlüsselt man die Zahlen weiter auf, kommt man zu folgendem Ergebnis: 81,7 % der Männer werden von anderen Männern gemobbt und 57,3 % der Frauen von anderen Frauen. Bei beiden Geschlechtern geht also die Gefahr, gemobbt zu werden, vor allem von den eigenen Geschlechtsgenossen aus.
Die hierarchische Stellung der Mobber
Sind es vor allem Kollegen oder Vorgesetzte, die mobben? Im Mobbing-Report waren die Angreifer:
zu 38 % nur der Vorgesetzte („Bossing“)
zu 13 % Vorgesetzte und Kollegen
zu 22 % nur ein Kollege
zu 20 % eine Gruppe von Kollegen
zu 2 % nur Untergebene
In der Hälfte (anderen Studien zufolge sogar in bis zu 70 %) der Fälle sind Vorgesetzte am Mobbing beteiligt. Unter diesen ist der Anteil direkter Vorgesetzter doppelt so hoch wie der Anteil indirekter Vorgesetzter. Allerdings sind in mehr als der Hälfte der Fälle Kollegen am Mobbing beteiligt. Mobbing „von unten“ hat mit durchschnittlich 2 % aller Fälle Seltenheitswert, eine Ausnahme bilden hier nur die Beamten (11 %).
Wichtig
Je niedriger die hierarchische Position, desto wahrscheinlicher ist Mobbing durch Kollegen. Je höher die hierarchische Position, desto wahrscheinlicher ist Mobbing durch Vorgesetzte.
Angriffe im kommunikativen Bereich
Menschen brauchen Kommunikation, um sich mit anderen auszutauschen und als Grundlage ihrer Zusammenarbeit. Kommunikation geschieht nicht nur verbal, sondern auch nonverbal: durch Gestik, Mimik, Blicke und Andeutungen.
Beispiel
Herr M. wird seit einiger Zeit in den Teamsitzungen öfter
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