Konny Reimann
Aber wahrscheinlich war es einfach der Überschwang, den er mit seinem alten „Dänen“ teilen wollte.
Wir schauten uns die alten, großen Häuser an, fuhren einfach durch die Gegend und tranken abends ein paarmal einen über den Durst. Es waren lustige Tage. Jans Prinzengarde hatte sich Gott sei Dank in eine Pferderanch verwandelt, auf der er jetzt wohnte. Er hatte die Pferdepflegerin eines Ranchers namens Werner kennen und lieben gelernt und war mit ihr zusammen in ein kleines Haus direkt neben einem Stück Wald auf Werners Anwesen gezogen. Wir schliefen dort auf einer Art Notcouch. Alles um uns herum schien vollkommen neu. Bislang kannten wir Amerika nur aus dem Fernsehen. Das sah nett aus, aber wirklich einordnen konnten wir diese Bilder erst jetzt, wo sie auf uns einstürmten wie ein 3-D-Film auf zwei Kinder.
Wir saßen hinten in Jans Auto und fuhren durch diese neue Welt. Die Sonne schien, und der Wind blies uns um die Nasen. Diese Ami-Autos, die auch Gulliver gut hätte mit auf Reisen nehmen können, umkreisten uns wie freundliche Schlachtschiffe, alle mit dem scheinbar gleichen Ziel, dem Sonnenuntergang. Alle Menschen, denen wir begegneten, waren freundlich, niemand schien es besonders eilig zu haben. Doch während die Autos größer waren, ging die Uhr hier nur halb so schnell. Die Einheiten waren in Amerika einfach anders. Auf eine komische Weise schien man das Leben hier noch mehr genießen zu können. Und genau das taten wir während der Handvoll Tage, die wir dort waren.
Wir saßen also hinten in Jans Wagen, als ich mich schon am zweiten Tag zu Manu umdrehte: „Na, Manu – wird Zeit, oder?“ – „Ja, wird Zeit“, nickte sie.
Die Eindrücke waren einfach zu groß – die Menschen und ihre Freundlichkeit, der Lifestyle, das Wetter. Jeder hier schien zu machen, was er wollte, ohne dabei Ärger oder Stress zu haben. Keine Hektik und keine ernsten Gesichter bei miesepetrigem Wetter wie in Deutschland. Alles schien ganz easy, ich wartete nur darauf, dass uns Brathähnchen in den Mund fielen. Hätte ich da schon gewusst, dass man in Amerika auch Häuser bauen kann, wie man will, hätte ich wahrscheinlich an Ort und Stelle die amerikanische Staatsbürgerschaft beantragt.
In Hamburg hatten wir eigentlich das geilste Leben gehabt, aber es schien, als könnte ein noch geileres in Zukunft in Texas auf uns warten. Uns konnte nichts mehr aufhalten. Wir mussten auch hierhin. Schenefelder Himmel hin oder her, wenn der Bauch sagt, wo’s langgeht, sind die Richtungsschilder fertig. Is’ so.
Aber noch war es natürlich nicht so weit. Man zieht eben nicht so einfach nach Amerika, wie man sich entschließt, ins Kino zu gehen.
Ein anderes Land als Amerika kam auch nicht in Frage, denn es ging nicht ums Auswandern an sich; wir hatten Texas gesehen und gewusst: Das ist es. Spontan. Es war ein Gefühl, da steckte kein Kalkül oder ein großartiger Lebensplan dahinter. Zudem war Englisch die einzige Sprache, die wir in Ansätzen beherrschten, das passte ganz gut. Glaubten wir zumindest.
ur wenige Wochen später machten wir noch einmal drei Wochen lang mit den Kindern Urlaub in Amerika, wieder in Texas, und auch die beiden waren bald infiziert. Dieser zweite Trip über den Teich war ebenso beeindruckend wie der erste. Wir besuchten erneut Gainesville und zeigten den Kindern die Gegend, die uns vorher so aus den Schuhen gehauen hatte. Wir fuhren bis ganz in den Süden von Texas nach Corpus Christi an den Strand, um noch mehr vom Staat zu sehen.
Einen Tag nach diesem Strandbesuch saßen wir in einer Filiale der Frühstücks- und Fast-Food-Kette Denny’s. So sehr man natürlich allzu viel Fast Food vermeiden sollte, so schön ist es doch, ab und zu in diesen breiten, flachen Häusern zu sitzen, die einem die Ketten in die Landschaft stellen. Es sind fast immer frei stehende Gebäude mit Fenstern zu allen Seiten, und man bekommt mehr von Land und Leuten mit, als man glaubt. Amerika liebt diese Fresstempel und scheint geradezu in ihnen zu leben. Das Wetter bietet einem nahezu immer die entsprechend helle und freundliche Kulisse, man hat viel Platz, egal, mit wie vielen Leuten man da einreitet, und man fühlt sich einfach frei. So war es auch an diesem Tag. Auf einmal kam aus dem Nichts die gesamte Belegschaft der Denny’s-Filiale an unseren Tisch, stellte warmen Apfelkuchen mit einer besonderen Kerze auf den Tisch und sang „Happy Birthday“ für Janina. Sie hatte tatsächlich Geburtstag, und Manu hatte
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