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Kontaktversuche

Kontaktversuche

Titel: Kontaktversuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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Höhe mit hellbraunem Holz verkleidet. Die Kellner trugen geschickt Teller und Flaschen, an den Tischen klapperten leise Messer und Gabeln, nur der Geruch machte ihn nicht mehr so toll, und er konnte ihn ruhig wahrnehmen.
Als er auch den Braten aufgegessen hatte, seufzte Andrej. Allzu schnell fühlte er sich gesättigt. Die neue Empfindung erinnerte ihn an den Wald, die harte, feuchte Erde, und er zuckte zusammen. Er wollte nicht wieder an das Schiff und die Sekunde der Umwandlung denken. Das war etwas Fernes und Irreparables und konnte ihn nur stören. Jetzt mußte er an etwas anderes denken – wie er sich aus dem Lokal verdrücken konnte.
Erneut hob er den Kopf. Es war einfach unerträglich, daß er mit einem Blick einen so lächerlichen kleinen Raum erfaßte. Die Kellner liefen weiter zwischen den Tischen hin und her, seiner schwatzte an der Bar, doch ehe Andrej etwas unternehmen konnte, kam er mit zwei Gläsern in der Hand auf ihn zu. Er ging an ihm vorbei und stellte die Gläser vier Tische weiter rechts von ihm ab. Als er an ihm vorbeiging, drehte Andrej den Kopf weg. Dann ging der Kellner wieder zur Bar zurück und drehte sich zum Lokal um. Bei dieser Lage konnte Andrej nicht unbemerkt verschwinden. Blieb das andere – vor den Augen des Kellners einfach hinauszugehen, und er hätte es getan, doch was er bisher erlebt hatte, hielt ihn zurück. Er hatte bereits Angst vor den Folgen.
Dennoch stellte sich das Verschwinden als überraschend leicht heraus. Wie viele andere ging Andrej zur Toilette. Von dort war die Entfernung zum Ausgang des Lokals dreimal kürzer als von seinem Tisch aus. Von der Toilette ging er ruhig auf den Ausgang zu.
    Draußen war es noch wärmer geworden, und Andrej wurde schläfrig. Das Essen füllte angenehm seinen Magen, er spürte, wie die Verdauungssäfte ihn milde stimmten, ihn mit Zufriedenheit und Trägheit erfüllten. Er war stolz, daß er sich so geschickt aus dem Lokal davongemacht hatte. Nach all den Niederlagen, die er an diesem Tag erlebt hatte, nach der grauenhaften Ohnmacht war das sein erster Sieg. Andrej hoffte, er werde nicht der letzte bleiben. Ich habe Zeit, dachte er. Alles wird sich finden. Doch wieso wird der Mensch nach dem Essen so entsetzlich schläfrig?
    Er betrat den kleinen Park in der Nähe des Wurstgeschäfts, suchte sich an einer schattigen Stelle eine Bank aus und setzte sich, damit die Schläfrigkeit vorbeiging. Aber er schlief ein und erwachte am späten Nachmittag.
    Der ganze kleine Park lag schon in grünlichem Schatten. Auf den Bänken saßen Leute und unterhielten sich, im Sand vor dem Trinkbrunnen spielten Kinder. Steif und benommen, konnte Andrej sich nicht gleich besinnen, wo er war. Was waren das für Kinder? In Elenas Bewußtsein erschienen oft Kinder, aber das waren ihre Schüler! Oder war er auch in eine Schule geraten? Dann mußte wohl auch Elena in der Nähe sein?
    Er sprang zitternd in die Höhe; doch kaum hatte er einen Schritt auf die Kinder zu gemacht, da brachte ihn der Schmerz im Bein zur Besinnung. Keine Schule und keine Elena! Er war einfach auf der Bank eingeschlafen… Er entsann sich des Restaurants, doch jetzt freute ihn das geschickte Verschwinden nicht mehr, er empfand keinen Stolz. Nach dem Schlaf war er verstimmt und reizbar. Er hatte Durst, ging zum Trinkbrunnen und trank lange, aber das Wasser erfrischte ihn nicht wie am Morgen. Welch eine Dummheit! Einzuschlafen! Als hätte er schon etwas vollbracht, als hätte er Elena gefunden und brauchte nur auf die Straße zu gehen, wo sie schon längst auf ihn wartete. In Wahrheit hatte Andrej von dem Mädchen geträumt, und er bewahrte noch die unklare Empfindung in sich, daß Elena noch vor einem Augenblick irgendwo hier in der Nähe gewesen war.
    Finster und böse humpelte Andrej zur Straße. Es war nicht mehr so warm, doch mit der Hitze war auch der Glanz des Tages verschwunden. Die Gebäude waren zur Seite gewichen, die Straße sah breiter aus, die Lichter der Verkehrsampeln leuchteten heller. Auf dem Fahrdamm rauschten noch immer Autos vorbei, doch der eigentliche Verkehr war jetzt auf dem Trottoir. So viele Menschen! Dies Gewühl erinnerte ihn an jenen Spätnachmittag, als er Elena zum erstenmal gesehen hatte. Zeit totschlagen, dachte er, aber jetzt schon ohne Spott. Ihm war traurig zumute. Die Leute gingen dahin und dorthin, die Frauen mit bloßen Schultern, die Männer mit offenen Hemdkragen, sie sahen frohgestimmt und sorglos aus. Viele gingen wahrscheinlich ins Kino und

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