Kontaktversuche
trocken, er schluckte mühsam und verspürte zum erstenmal Durst.
In der Nähe gab es wohl kaum Wasser, es war nichts als das Rauschen der Bäume zu hören, aber Andrej war, als hörte er irgendwo unten ein Bächlein glucksen. Das Abwärtsklettern über den steilen Hang war schwierig. Die Sträucher hakten sich in seinen Sachen fest, schlugen ihm ins Gesicht, aber er ging weiter, und der Speichel in seinem Mund wurde immer dicker. Anstatt bei einem Bach kam er auf einer Straße heraus.
Als er auf den glatten Asphalt trat, der den Wald zerteilte, zitterten seine Beine vor Müdigkeit. Der Asphalt strömte Feuchtigkeit aus, aber Wasser gab es keins. Andrej setzte sich auf einen Kilometerstein und rührte sich bis zum Sonnenaufgang nicht von dort weg. Er war müde und durstig, seine Wange war von einem Ast aufgerissen und blutete. Der Schweiß auf seinen Schultern wurde kalt, und er begann wieder zu zittern.
Endlich breitete sich kaltes Licht über den Himmel aus, und die Sterne erloschen. Durch die Schlucht seitwärts von ihm kroch Nebel, aus dem nur die Wipfel der Bäume herausragten. Das dauerte nicht lange – bald färbten sich die Wipfel rot, der Nebel lichtete sich, und die dunklen Stämme schimmerten hindurch. Andrej drehte sich um und sah die Sonne, rot und unwahrscheinlich abgeplattet. Sie saß noch am Horizont, wie über dem violettrosa Gebirge an den Himmel geklebt. Der Wald zu beiden Seiten der Chaussee war still geworden. Andrej stand auf und reckte sich; es war Zeit, den Weg zu Elena zu suchen.
Später hörte er ein bekanntes Geräusch – irgendwo unter ihm bog eine Straßenbahn in eine Kurve, und die Räder quietschten in den Schienen. Andrej ging dem Geräusch nach. Jetzt folgte er einem Pfad, die Sonne schien ihm in die Augen, die Geräusche der Stadt wurden deutlicher, er versank gleichsam in ihnen und bebte vor Ungeduld am ganzen Leib.
Der Pfad endete an einer breiten Steintreppe. Unten war eine kleine Grünanlage, aber Andrej sah nur den roten Trinkbrunnen mit den kleinen, in die Höhe sprudelnden Wasserstrahlen. Er rannte die Stufen hinunter und neigte das Gesicht atemlos über den lustig hüpfenden Wasserstrahl. Er konnte keine Luft holen, das Wasser benäßte seine Wangen und Augen, es benahm ihm den Atem, aber er trank und wurde schwer von Wohlbehagen.
Dann tauchte er sein Taschentuch ein und wischte sich das Blut vom Gesicht. Als er sich aufrichtete, schwamm die Sonne im Qualm eines Schornsteins, sie war verdunkelt und trübe wie der Mond bei Mondfinsternis, der lustige Wasserstrahl funkelte nicht mehr, aber das enttäuschte ihn nicht – der Schornstein wies ihm gleichsam die Richtung zur Stadt und zu Elena.
Er schlug diese Richtung ein, die Straßenbahnlinie führte auch dorthin. Über die Straße neben den Gleisen donnerten Lastautos, und die Erde schien unter ihnen zu beben. Da und dort erschienen Leute und hasteten ebenfalls längs der Straßenbahngleise abwärts. Als Andrej die erste Haltestelle erreichte, überlegte er, daß er schneller ins Zentrum gelangen und sich leichter orientieren könnte, wenn er in die Straßenbahn stieg.
Die Straßenbahn war überfüllt – die Leute fuhren zur Arbeit und waren nicht sehr rücksichtsvoll gegeneinander. Schon an der Haltestelle mußte Andrej seine ganze Kraft aufwenden, um nicht zurückgedrängt zu werden, und im Wagen drin wurde er geschubst und auf die Füße getreten. Wäre nicht der Gedanke gewesen, daß die Straßenbahn seinen Weg zu Elena verkürzte, er wäre schon an der nächsten Haltestelle ausgestiegen. Das Gedränge bewahrte ihn indes vor einer anderen Unannehmlichkeit, von der Andrej gar nichts ahnte – er hatte kein Geld für einen Fahrschein, und die Schaffnerin kam nicht bis zu ihm durch.
Auch im Stadtzentrum vermochte sich Andrej nicht zu orientieren. Hier war nicht nur dasselbe Netz unbekannter Straßen wie in dem Vorort, er wußte auch nicht, was er suchen sollte. Früher hatte er sein Ziel in gerader Linie gesehen, und da interessierten ihn die Straßen mit ihren Richtungen und Namen nicht. Jetzt waren die Straßennamen das Wichtigste, und seine Lage war unvergleichlich viel schlechter als die eines Provinzlers, der zum erstenmal nach Sofia kam. Der Provinzler wußte wenigstens, wonach er fragen mußte. All dessen war sich Andrej jedoch nicht bewußt.
Die Verkehrsampeln wechselten das Licht ihrer runden Augen, die Autos hielten und fuhren an, die Leute sammelten sich vor den weißen, gestreiften Übergängen oder
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