Kopernikus 1
der Stadt und zerschlugen die Machtzentren in Rom und Babylon. Und als er dahinterkam, wie jener mit N a men Simon, genannt Peter, den Herrn dreimal verraten hatte, erwürgte er ihn eigenhändig und warf seinen Leichnam den Drachen vor. Dann sandte er die Drachen aus, damit sie in der ganzen Welt Feuer anzündeten, Scheiterhaufen für Jesus von Nazareth.
Und Jesus auferstand am dritten Tage, und Judas wei n te, doch konnten seine Tränen den Zorn Christi nicht besänftigen, hatte er doch durch sein Rasen gegen alle Lehren des Herrn verstoßen.
Jesus rief die Drachen zurück, und sie kamen zu ihm, und überall erloschen die Feuer. Und aus ihren Bäuchen rief er Peter hervor und setzte ihn wieder zusammen und gab ihm Herrschaft über die Kirche.
Und dann starben die Drachen und mit ihnen sämtl i che Drachen überall, denn sie waren das lebendige Siegel der Macht und der Weisheit von Judas Iskariot gewesen, der schwer gesündigt hatte. Und Christus nahm von J u das die Gabe der Zungen und die Kraft zu heilen, die er ihm gegeben hatte, und da jener wie ein Blinder geha n delt hatte, entzog er ihm sogar das Augenlicht (im Buch war ein hübsches Bild vom blinden Judas abgebildet, wie er sich weinend über die Kadaver seiner Drachen beugt). Und dann sagte er Judas, die Menschen würden sich an ihn für unendliche Zeiten nur als an den Verräter eri n nern und seinen Namen verfluchen, und alles, was er g e wesen war und getan hatte, würde vergessen werden.
Doch weil Judas ihn so sehr geliebt hatte, erwies Chr i stus ihm noch eine Gefälligkeit: Er schenkte ihm ein la n ges Leben, damit er Gelegenheit hätte, zu reisen und über seine Sünden nachzudenken, um endlich doch noch Ve r gebung zu erlangen und dann erst zu sterben.
Und das war der Beginn des letzten Kapitels im Leben des Judas Iskariot, eines in der Tat sehr langen Kapitels. Der einst Drachenkönig, einst der Freund Christi gew e sen war, war nun zum blinden Wanderer geworden, zum Außenseiter und ohne Freunde, der die kalten Wege der Erde wanderte, der lebte, da alle Städte, Menschen und Dinge, die er gekannt hatte, tot waren. Und Peter, der erste Papst und in Ewigkeit sein Feind, verbreitete in der Stadt und dem Erdkreis die Mär, Judas hätte den Herrn für dreißig Silberlinge verraten, bis dieser es nicht einmal mehr wagte, unter seinem richtigen Namen aufzutreten. Eine Zeitlang nannte er sich einfach Wandernder Ju’ und bediente sich in der Folge noch vieler anderer Namen.
Er lebte mehr als tausend Jahre, wurde Prediger, He i ler und Tierfreund, wurde gejagt und beschuldigt, als die Kirche, die Peter gegründet hatte, anschwoll und korrupt wurde. Doch hatte er viel Zeit, und am Ende wurde er weise und fand seinen Frieden. Und schließlich kam J e sus an sein lange hinausgezögertes Sterbebett, und sie versöhnten sich, und wieder weinte Judas. Und bevor er starb, versprach der Herr ihm, daß einige sich mit seiner Einwilligung erinnern würden, wer und was Judas gew e sen war, und daß sich die Kunde davon im Laufe der Jahrhunderte verbreiten würde, bis endlich Peters Lüge aufgehoben und vergessen sein würde.
Derart war das Leben des heiligen Judas Iskariot, wie es in Der Weg von Kreuz und Drachen berichtet wurde. Das Buch enthielt auch seine Lehren sowie die apokryphen Bücher, die er angeblich geschrieben hatte.
Als ich es durchgelesen hatte, lieh ich es Arla-k-Bau, dem Kapitän der Wahrheit Christi. Arla war eine hagere, pragmatische Frau ohne bestimmten Glauben, doch schätzte ich ihre Ansichten. Die anderen Besatzungsmi t glieder, die guten Schwestern und Brüder vom Orden des heiligen Christopherus, hätten lediglich den religiösen Schrecken des Erzbischofs nachgeplappert.
„Interessant“, fand Arla, als sie mir das Buch zurüc k gab.
Ich mußte lachen. „Ist das alles?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Eine hübsche G e schichte. Leichter zu lesen als eure Bibel, Damien, a u ßerdem auch dramatischer.“
„Stimmt“, gab ich zu. „Aber absurd. Ein unglaubl i ches Durcheinander von Doktrinen, Apokryphen, M y thologien und Aberglauben. Unterhaltsam, ja, sicher. Einfallsreich, sogar gewagt. Aber lächerlich, finden Sie nicht? Wie soll man an Drachen glauben? An einen Christus ohne Beine? An Peter, der wieder zusamme n gesetzt wird, nachdem ihn vier Monstren verspeist ha t ten.“
Arlas Lächeln war spöttisch. „Ist das etwa blödsinn i ger als Wasser, das sich in Wein verwandelt, als Christus, der auf den Wassern schreitet,
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