Kopernikus 2
geistesgegenwärtig ihre Hand vor den Mund preßte. „Wissen wir denn, wie es dazu kam, Kapitän“, fragte sie.
„Allerdings“, sagte er zögernd.
Mittlerweile hatte der Xenobiologe verstanden, und Melantha konnte getrost ihre Hand wieder fortnehmen. „Wie denn, Royd?“ fragte sie.
„Ich weiß, es klingt unglaublich“, antwortete seine Stimme, „aber offenbar wurde die Tür des Laderaums durch Ihre beiden Kolleginnen geöffnet. Natürlich kann ich mir ganz und gar nicht vorstellen, daß dies absichtlich geschah. Soweit ich es beurteilen kann, waren sie gerade damit beschäftigt, mit Ihrem Expeditionscomputer über meinen Systemausgang Daten meines Schiffes abzufragen.“
„Aha. Eine fürchterliche Katastrophe“, meinte Melantha.
„In der Tat“, pflichtete ihr Royd bei. „Vielleicht noch weitaus fürchterlicher, als Sie im Augenblick ermessen können. Ich kann nämlich den Schaden, der dem Schiff zugefügt wurde, noch gar nicht abschätzen.“
„Wir wollen Sie auch nicht aufhalten, Kapitän, falls Sie die Pflicht ruft“, versicherte ihm Melantha. „Außerdem stehen wir alle unter einem schweren Schock, und von daher ist eine Konversation im Moment ohnehin schwierig. Es scheint also das beste zu sein, wenn Sie erst einmal den Schaden am Schiff begutachten und wir uns morgen früh weiter unterhalten. Einverstanden?“
„Ja“, erwiderte Royd.
Melantha nahm den Daumen von der Sprechtaste. Nun konnte Royd, zumindest wenn er sich an die Abmachung hielt, nicht mehr mithören.
Karoly d’Branin schüttelte sein Löwenhaupt. Die beiden Linguisten saßen stumm nebeneinander und hatten sich bei der Hand gefaßt. Die Psi-Expertin schlief immer noch. Nur der Xenobiologe starrte Melantha an. „Glaubst du ihm denn wirklich?“ fuhr er sie an.
„Ich bin mir natürlich nicht völlig sicher“, sagte Melantha Jhirl ruhig, „ich weiß nur, daß die anderen drei Laderäume ebenso leicht nach außen geöffnet werden können wie der, in dem das Unglück passierte. Ich jedenfalls packe mein Netz zusammen und verziehe mich in eine der Kabinen, und ich schlage das den anderen, die im Laderaum zwei kampieren, auch vor.“
„Eine gute Idee“, sage die Linguistin. „Wir rücken zusammen. Es wird zwar sicher etwas unbequem und eng, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß ich in unserem Laderaum noch wie ein Murmeltier schlafen könnte.“
„Außerdem sollten wir unsere Raumanzüge auspacken und für alle Fälle bereitlegen“, schlug ihr Partner vor.
„Wenn du meinst“, sagte Melantha. „Es kann natürlich auch gut sein, daß alle übrigen Luftschleusen simultan aufgehen. Aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.“ Sie zwang sich zu einem verunglückenden Lächeln. „Jedenfalls haben wir seit dem heutigen Vorfall das Recht, uns auch mal irrational zu verhalten.“
„Hör auf mit deinen blöden Witzen“, fuhr der Xenobiologe wütend auf. „Drei sind tot, einer liegt im Koma, und wir wissen nicht, wie’s hinterher aussieht, der Rest von uns schwebt in Gefahr …“
„Wir wissen doch immer noch nicht, was hier eigentlich vor sich geht“, stellte sie mit Bestimmtheit fest.
„Na, was wohl? Royd Eris bringt uns alle um – das geht vor sich“, schrie er und schlug mit der Faust in seine linke, offene Handfläche.
„Mir ist mittlerweile scheißegal, wer er ist, wo er herkommt oder ob seine Geschichte wahr oder falsch ist. Vielleicht ist er ein hranganisches Gehirn, vielleicht der Racheengel der Volcryn, vielleicht auch die erneute Fleischwerdung Jesu Christi. Vollkommen egal. Auf alle Fälle bringt er uns um!“
„Du bist dir hoffentlich dessen bewußt, daß unser guter Kapitän uns jederzeit beobachten und hören kann“, sagte Melantha leise. „Ich weiß jedoch, daß er das nicht tut. Er hat es mir versprochen, und ich glaube ihm auch. Wir haben jedoch keine diesbezügliche Sicherheit, nur sein Ehrenwort. Du scheinst darauf allerdings keinen Pfifferling zu geben. Und wenn dem so ist, kannst du seinem Versprechen auch wohl kaum glauben. Wenn ich du wäre, würde ich mich also mit dem, was ich äußere, zurückhalten.“ Sie lächelte dünn.
Der Xenobiologe war still.
„Unser Computer ist also verloren“, seufzte Karoly d’Branin, bevor Melantha fortfahren konnte.
„Das fürchte ich allerdings auch“, sagte sie und nickte.
Unsicher stand er auf. „Ich habe da noch ein Minisystem in meiner Kabine“, sagte er. „Nicht größer als eine Armbanduhr, vielleicht reicht es für
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