Kopernikus 2
der scharf auf einen ist.“
Plötzlich schrillte im Korridor eine Sirene. „Verdammter Mist“, schrie die Kybernetikerin. „Das hat uns gerade noch gefehlt. Das holt sie alle aus ihren Kojen.“ Sie blickte auf, als sich die Finger der Xenotechnikerin schmerzhaft in ihre Schultern vergruben.
Eine graue Stahlwand schob sich lautlos über die Schwelle zum Korridor. „Was …“ hob die Kybernetikerin an.
„Eine Luftschleusenverriegelung“, flüsterte die andere tonlos. Sie kannte sich aus. „Sie zieht sich zu, wenn ein Frachtraum im luftleeren Raum be- oder entladen wird.“
Ihre Augenpaare wanderten wie mesmerisiert zu der riesigen äußeren Luftschleuse, die nahezu nahtlos in Decke und Wand des Frachtraums eingelassen war. Atemlos sahen sie noch, wie die automatische Verriegelung mit einem scharfen Knacken entsichert wurde. Langsam glitt die Schleuse auf. Draußen war nichts als ein grelles Licht, das sich gleißend in den Frachtraum ergoß. Aber das nahmen sie schon nicht mehr wahr …
Überall schrillten die Sirenen. Die Passagiere schreckten auf. Melantha Jhirl schoß aus ihrem Schlafnetz und hechtete in den Korridor, unbekleidet, voller böser Ahnungen. Karoly d’Branin setzte sich benommen auf. Die Psi-Expertin stöhnte auf in ihrem narkotisierten Schlaf. Der Xenobiologe schrie laut auf und erwachte.
Irgendwo knirschte Metall und zerbarst, ein heftiger Stoß erschütterte das Schiff, schleuderte die beiden Linguisten aus ihrem Netz, warf Melantha um.
Im Kommandotrakt der Nachtfee gab es einen Raum mit vollkommen weißen Wänden, in dessen Mitte eine viereckige Kontrollkonsole aufgebaut war. Wenn das Schiff im Hyperraum war, bestanden die Wände nur aus weißen Flächen, denn die grellfarbigen Verzerrungen, die vom Menschen bei Überlichtgeschwindigkeit als Außenwelt wahrgenommen wurden, waren unerträglich für Auge und Gehirn.
Doch plötzlich verdunkelte sich der Raum, und die vormals weißen Wände gaben den Blick auf Myriaden festgefrorener Sterne frei. Der Raum tauchte ein in eine leuchtende See der Nacht, in der die Kontrollkonsole gespenstisch zu schweben schien.
Die Nachtfee war in den Normalraum zurückgekehrt.
Mühsam rappelte sich Melantha Jhirl wieder auf und drückte die Sprechtaste des nächstgelegenen Kommunikators nieder. Immer noch schrillten die Sirenen, ihr Heulen war kaum zu ertragen. „Kapitän“, schrie sie, „was geht hier vor?“
„Ich tappe im dunkeln“, kam Royds Stimme über das System. „Ich suche fieberhaft. Warten Sie hier und scharen Sie die anderen um sich!“
Sie folgte seiner Anordnung. Erst als sie alle versammelt waren, schlüpfte sie zurück, um sich etwas überzuziehen.
Als sie nur halbbekleidet zurückkam, starrten die anderen unbehaglich auf die Verriegelung, die den Frachtraum drei vom Korridor abschottete. Außer Melantha waren nur noch fünf weitere Mitglieder des Teams anwesend, davon eines – die Psi-Expertin – bewußtlos. Selbst der Alarm und die allgemeine Aufruhr hatten sie nicht zu wecken vermocht. Die Xenotechnikerin und die Kybernetikerin wurden vermißt.
Kaum waren die Sirenen verstummt, als sich Royd über das Kommunikationssystem meldete: „Wir sind wieder im Normalraum, aber das Schiff ist schwer beschädigt. Der Laderaum drei, in dem Ihr Computer aufgestellt war, wurde während des Überlichtfluges gewaltsam geöffnet. Er ist völlig geborsten. Der Bordcomputer warf uns zum Glück automatisch in den Normalraum zurück, andernfalls hätte uns die gewaltige Antriebsenergie völlig zerrissen.“
„Royd“, sagte d’Branin, „zwei Mitglieder meines Teams …“
„Offenbar war Ihr Computer in Betrieb, als die Luke geöffnet wurde“, informierte Royd sie vorsichtig. „Wir können nur vermuten, daß sie drinnen waren und mit ihm arbeiteten. In diesem Falle müssen wir das Schlimmste annehmen. Ich bin mir allerdings nicht völlig sicher, da ich auf Melanthas Ersuchen hin mit Ausnahme der Anlage im Aufenthaltsraum sämtliche Übertragungsgeräte im Schiff abgeschaltet hatte. Ich weiß von daher auch nichts Genaues. Aber da es sich bei der Nachtfee nur um ein sehr kleines Schiff handelt, können wir mit Sicherheit davon ausgehen, daß ihre beiden Kolleginnen nicht mehr am Leben sind. Sie starben schnell und schmerzlos, wenn uns das ein Trost ist.“
Die beiden Linguisten sahen sich lange und bedeutungsschwer an. Das Gesicht des Xenobiologen war rot vor Wut, und er setzte gerade zum Reden an, als ihm Melantha Jhirl
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