Kopernikus 2
erkennen!
„Dem Geräusch nach“, schlug der Mann vor. Er schwebte im Türrahmen und zögerte fast eine Minute lang, bevor er begann, sich mit beiden Händen an der Wand entlang in den Raum hineinzutasten.
Weitaus ungeduldiger, hatte sich die Frau vor ihm mit beiden Füßen abgestoßen und schoß quer durch den Raum. Dabei spähte sie krampfhaft nach unten. Sie segelte gegen eine Wand im Küchentrakt, und das brachte sie auf eine Idee. Sie wußte, wo die Bestecke aufbewahrt wurden. „Hier!“ rief sie. „Komm nur her! Ich habe ein Messer, und damit schlitze ich dich auf!“
Sie fuchtelte wild damit umher und stieß damit in einen faustgroßen Klumpen geronnenen Blutes, der vor ihr trieb. Er zerplatzte in hundert kleine Klumpen.
„Barmherziger Gott“, flüsterte der Mann, vor Furcht gelähmt.
„Was denn?“ rief sie ungeduldig. „Hast du ihn gefunden? Ist er …?“
Er versuchte verzweifelt, so schnell wie möglich zur Tür zurückzugelangen und hangelte sich an der Wand entlang. „Komm hier heraus“, schrie er. „Mach schnell, um Gottes willen!“
„Aber wieso denn?“ Trotz Aufbietung aller Willenskraft fing sie an zu zittern.
„Ich weiß jetzt, wo die Schreie herkommen. Nun komm schon, ich flehe dich an!“
„Aber …“
„Es ist der Lautsprecher“, kreischte er. „Verstehst du denn nicht? Es kommt über das Kommunikationssystem.“ Er hatte die Tür glücklich erreicht, seufzte erleichtert auf und strampelte weiter, ohne auf sie zu warten, schoß durch den Korridor und verschwand aus ihrem Gesichtsfeld.
Sie umklammerte irgendeinen festverankerten Gegenstand im Raum und wollte sich abstoßen, um ihm zu folgen, als es geschah: Das Schreien verstummte, hörte urplötzlich auf – abgestellt.
Nach einer Schrecksekunde segelte sie durch den Raum, auf die Tür zu, das Messer fest umklammert.
Ein schattenhaftes Etwas kroch plötzlich hinter dem Eßtisch hervor und erhob sich, um ihr den Weg zu versperren. Nur einen Augenblick lang umrahmte das Licht, das aus dem Korridor kam, den Schemen, und dieser Moment reichte aus, um genau zu erkennen, um was es sich handelte. Es war der Xenobiologe, noch im Schutzanzug, aber mit offenem Visier. Irgend etwas hatte er in der Hand, das er jetzt auf sie richtete. Entsetzt sah sie, was es war: ein Laser, ein ganz ordinärer Schneidlaser.
Sie trieb geradewegs auf ihn zu. Sie ruderte mit beiden Armen, um abzustoppen, aber zu spät. Unaufhaltsam kam sie ihm näher.
Plötzlich sah sie, daß er eine zweite Mundöffnung besaß, direkt unter dem Kinn. Sie schien sie anzugrinsen, während geronnene Blutklumpen an ihr klebten und feucht glänzten, wann immer er sich bewegte.
Der Mann schoß den Korridor entlang, von Entsetzen geschüttelt. Immer wieder prallte er gegen die Wände und zog sich kleinere Verletzungen zu. Seine panische Angst und die Schwerelosigkeit machten ihn vollends unbeholfen. Ein über das andere Mal starrte er zurück, drehte den Kopf und hoffte inständig, seine Partnerin würde ihm endlich nachfolgen, und zugleich dachte er mit Grauen daran, was ihr wohl folgen mochte.
Wie lange es dauerte, bis sich diese Luftschleuse öffnete! Er wartete zitternd, aber zugleich wurde er ruhiger. Sein Puls verlangsamte sich. Die Innentür zum Schiff war ja verriegelt, er war sicher.
Plötzlich wurde sein Kopf ganz klar. Was um alles in der Welt hatte ihn eigentlich so schrecklich beunruhigt?
Scham übermannte ihn; er war einfach davongerannt und hatte sie zurückgelassen. Weshalb eigentlich? Was hatte ihm diesen panischen Schrecken eingejagt? Der leere Raum? Die Geräusche aus dem Lautsprecher? Das konnte doch nur bedeuten, daß der Xenobiologe noch lebte, daß er irgendwo im Schiff sein mußte und daß seine Pein über das Kommunikationssystem übertragen wurde.
Entschlossen drehte er die Außenverriegelung, die er bereits betätigt hatte, in die Ausgangsposition zurück und drückte den Knopf zur Entriegelung der Innentür. Zischend füllte sich die Kammer wieder mit Luft.
Er fühlte sich zutiefst schuldig. Niemals würde sie ihm das vergessen, dessen war er sich völlig sicher. Aber wenigstens hatte er sie nicht ganz im Stich gelassen. Er würde jetzt zurückkehren und sich bei ihr für sein Verhalten entschuldigen. Das wäre doch zumindest eine Geste.
Als sich die Innenschleuse öffnete, flackerte das alte Gefühl panischer Angst erneut in ihm auf. Für einen Augenblick stieg vor ihm die Vision eines grauenhaften Wesens auf, das im Korridor
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