Kopernikus 2
nach Avalon zurückkehren.“
„Das ist, weiß Gott, wahr. Aber wie sieht es eigentlich mit Ihnen aus? Hat sich Ihr vormaliger Status, den Sie Ihrer Mutter gegenüber einnehmen, geändert?“
„Das ist Crux des Ganzen“, gab Royd zu. „Sie sind doch immer drei Züge im voraus, Melantha, allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das in diesem Falle ausreicht. Ihr Gegner hat nämlich immer noch einen Zug Vorsprung, und die meisten Ihrer Figuren hat er Ihnen abgenommen. Ich fürchte, daß ein Schachmatt Ihrerseits unvermeidlich sein wird.“
„Es sei denn, ich kann den König meines Gegners dazu überreden, in mein Lager überzuwechseln, oder nicht?“
Sie beobachtete, wie sich ein schwaches Lächeln auf seine Lippen stahl. „Vermutlich würde sie mich in einem solchen Fall ebenfalls umbringen.“
Es dauerte eine Weile, bis Karoly d’Branin verstanden hatte, worum es überhaupt ging. „Aber … was bliebe Ihnen denn sonst überhaupt übrig?“
„Mein Schlitten ist im Gegensatz zu Ihren Fahrzeugen mit einer Laserwaffe ausgestattet. Ich könnte Sie beide zum Beispiel in diesem Augenblick töten und mich dadurch wieder rehabilitieren.“
Etwa drei Meter Distanz lagen zwischen ihm und Melantha. Sie sah ihm fest in die Augen. „Probieren Sie es doch, Kapitän. Aber bedenken Sie wohl, daß es nicht so einfach sein wird, ein veredeltes Modell zu töten.“
„Ich will Sie wirklich nicht töten, Melantha Jhirl“, sagte Royd ernst. „Sehen Sie, ich bin nun achtundsechzig Standardjahre, nach Erdzeit gemessen, am Leben, aber im Grunde habe ich niemals gelebt. Ich bin müde – Sie hingegen faszinieren mich ungemein. Wenn wir verlieren, werden wir alle drei sterben. Wenn wir jedoch Erfolg haben, muß ich ebenfalls sterben, wenn die Nachtfee zerstört wird. Vielleicht komme ich auch als abnorme Kreatur in eine orbitale Verwahrungsanstalt, und so besehen ist mir der Tod entschieden lieber …“
„Wir werden Ihnen ein völlig neues Schiff bauen, Kapitän“, versprach Melantha.
„Eine fromme Lüge“, entgegnete Royd. Seine Stimme klang jedoch eher heiter. „Außerdem ist es mir völlig gleichgültig. Da ich ohnehin kaum etwas vom Leben gehabt habe, kann mich der Tod kaum schrecken. Wenn wir erfolgreich sein sollten, müssen Sie mir noch weitaus mehr über ihre Volcryn erzählen, Karoly. Und Sie, Melantha, Sie müssen noch einmal mit mir Schach spielen und … und …“ Seine Stimme war ins Stocken geraten.
„Mit mir schlafen?“ beendete sie den Satz lächelnd.
„Wenn Sie das tun würden!“ sagte er ruhig. „Ich habe ja niemals ein menschliches Wesen … auch nur angerührt. Sie wissen ja, daß Mutter bereits vor meiner Geburt starb.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich nehme stark an, daß sie mittlerweile über den Stand der Dinge informiert ist. Vermutlich lauscht sie sorgfältig auf alle Züge, die wir gegen sie planen, daher hat es überhaupt keinen Zweck, sich mit irgendwelchen schlauen Ideen abzuplagen. Es besteht nicht die geringste Chance, daß ich auf die übliche Weise in den Kontrollraum hineingelange. Er wird sich mir auf keinen Fall öffnen, da der entsprechende Eingang an das Computersystem angeschlossen ist. Wir müssen daher Ihren beiden Kollegen folgen durch die handbetriebene Schleuse, hinein in den Antriebsraum und dann sehen, daß wir die Schaltkonsole erreichen, die Schwerkraft wiederherstellen. Vielleicht …“
Er wurde durch ein lautes Stöhnen unterbrochen.
Einen Augenblick lang glaubte Melantha, das Jammern und Winseln, das die beiden Linguisten an Bord der Nachtfee gelockt hatte, wiederhole sich. Unwillkürlich fragte sie sich, ob dieses Wesen, das Royd „Mutter“ nannte und das sie alle vernichten wollte, denn tatsächlich so dumm sei, den gleichen Trick noch einmal zu probieren. Da ertönte das Stöhnen zum zweiten Male, und sie mußte feststellen, daß es von der Psi-Expertin kam, die auf Karoly d’Branins Schlittens festgeschnallt war und das Bewußtsein zurückerlangt hatte. D’Branin stieß sich sofort ab und glitt zu ihr herüber. Als er sie losschnallte, rutschte sie bei dem Versuch, ihre Füße hochzubekommen, ab, und wäre fast heruntergeglitten, hätte er sie nicht gerade noch bei der Hand ergriffen und zurückgezogen. „Bist du in Ordnung?“ fragte er. „Kannst du mich verstehen? Hast du noch Schmerzen?“
Hinter der durchsichtigen Frontplatte ihres Helmes huschten ihre weitaufgerissenen, verstört wirkenden Augen von Karoly über Melantha zu Royd und
Weitere Kostenlose Bücher