Kopernikus 2
die Frontplatte von Melanthas Helm, bis sie zu bluten begannen. Rote, schmierige Streifen erschienen vor Melanthas Augen.
Sie befreite sich aus der Umklammerung und schnellte herum, ergriff einen Arm ihrer Widersacherin, drehe ihn mit aller Gewalt herum und beförderte die Linguistin mit dem gleichen Trick zu Boden wie ihren Partner.
„Fertig“, verkündete Royd.
Sie drehte sich herum, um sein Werk zu begutachten. Er hatte eine quadratmetergroße Fläche in eine Wand des Aufenthaltraumes geschnitten, die an den Rändern glühte und dampfte. Royd schaltete den Laser ab, umklammerte dann den Türrahmen, stieß sich ab und segelte auf die Fläche zu.
Wilde Klangfetzen dröhnten in ihren Ohren. Sie zuckte gequält zusammen, war aber geistesgegenwärtig genug, ihr internes Kommunikationssystem mit der Zunge abzustellen. Schlagartig herrschte eine beglückende Stille.
Plötzlich prasselten von allen Seiten Haushaltsgegenstände von der Decke des Aufenthaltraumes herab: Gläser, Messer, Gabeln, ein Mixer; aber auch menschliche Körperteile wurden quer durch den Raum geschleudert, prallten jedoch wirkungslos von Royds gepanzertem Anzug ab. Melantha, die ihm begierig hatte folgen wollen, zog sich Hals über Kopf zurück. Bestand doch die Gefahr, daß dieser schauerliche Regen ihren leichteren und weniger widerstandsfähigen Schutzanzug zerfetzen würde. Royd hatte mittlerweile die andere Wand des Raumes erreicht und verschwand in der Kontrollsektion des Schiffes. Sie war allein.
Die Nachtfee schoß plötzlich nach vorn. Die jähe Beschleunigung simulierte für einen kurzen Augenblick Schwerkraft. Melantha wurde zur Seite geschleudert, und mit ihrer verletzten Schulter donnerte sie gegen den Arbeitsschlitten.
Überall auf dem Korridor öffneten sich unvermutet Türen.
Und wieder setzten die Linguisten zu einem Angriff an.
Die Nachtfee war für sie beide nichts anderes mehr als ein weit entfernter Stern. Finsternis und Kälte hüllte sie ein, unter ihnen war die endlose Leere von Tempters Schleier. Aber Karoly d’ Branin empfand keine Angst. Er fühlte sich auf eine seltsame Weise verwandelt.
Die Leere schien ihm belebt wie von einem großen Versprechen.
„Tatsächlich, sie kommen“, flüsterte er. „Sogar ich, der ich überhaupt keine Psi-Kräfte besitze, kann sie fühlen. Die Geschichte über die Creys muß wahr sein. Selbst wenn sie noch Lichtjahre entfernt sind, kann man sie bereits spüren. Phantastisch!“
Die Psi-Expertin wirkte schmal und zerbrechlich.
„Diese Volcryn“, murmelte sie. „Was können die schon für uns tun? Mir tut alles weh. Das Schiff ist verschwunden. Karoly, mein Kopf ist am zerplatzen.“ Sie wimmerte leise. „Das sagte auch der Telepath, nachdem ich ihm die Injektion gegeben hatte und dann … und dann … Sie wissen Bescheid. Jedenfalls sagte er auch, daß sein Kopf weh täte.“
„Beruhige dich, meine Freundin, und habe keine Angst. Ich bin ja bei dir. Habe Geduld. Konzentriere dich ausschließlich auf das Kommende, denke nur daran!“
„Ich fühle, wie sie kommen“, flüsterte sie.
D’Branin war wie elektrisiert. „Los, erzähle mir von ihnen! Wir haben immerhin noch den einen Schlitten. Wir werden ihnen entgegenfahren. Führe mich zu ihnen.“
„Ja“, sagte sie voller Zustimmung. „Ja. O ja.“
Und jetzt wurde die volle Schwerkraft hergestellt – im Verlauf eines Moments wurde alles wieder – fast – normal.
Melantha schlug auf dem Deck auf, rollte ab und war sofort wieder wieselflink auf den Beinen.
Alle Gegenstände, die bis vor wenigen Augenblicke noch geheimnisvoll durch die Luft gegeistert waren, prasselten allesamt zu Boden.
Das Blut, das wie ein dünner Nebel im Raum herumgetrieben war, setzte sich schmierig auf dem Boden ab.
Auch die beiden Leichen schlugen auf und bewegten sich nicht mehr.
Sie vernahm Royds Stimme. Er sprach über die Wandlautsprecher, nicht über ihren Kopfhörer im Helm. „Ich habe es geschafft“, verkündete er.
„Ich habe es bemerkt“, gab sie zurück.
„Ich bin im Augenblick an der Hauptkontrollkonsole“, fuhr er fort. „Ich habe die Schwerkraft ohne Hilfe des Computers eingeschaltet – übrigens schalte ich viele seiner Funktionen ab, so viele als irgend möglich. Dennoch können wir uns nicht in Sicherheit wiegen. Sie wird versuchen, mich auszuschalten. Im Augenblick sitze ich zwar wieder an den Schalthebeln der Macht, aber ich kann auch mal was übersehen … aber wir müssen eine solche Möglichkeit,
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