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Kopernikus 4

Kopernikus 4

Titel: Kopernikus 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Platin, der große Spiegel sammelt das Sonnenlicht und lenkt es in die Fenster, und die Landwirtschaftssatelliten umkreisen ihn wie ein Dutzend winziger Monde. Wenn ich die Hand ausstrecke, kann ich ihn fast berühren. Ich kann an die Abschirmung klopfen und murmeln: „Helft mir, kommt und holt mich.“ Aber ebensogut könnte ich jenseits des Neptun sitzen statt hier im Lagrange-Gürtel gleich nebenan. Es gibt keine Möglichkeit, Hilfe herbeizurufen. Sobald ich mich aus meiner schützenden Felsspalte herauswage, bin ich meinen Sauriern auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert, und sie werden kaum besonders gnädig sein.
    Jetzt fängt es an zu regnen – künstlich, wie praktisch alles auf Dino Island. Aber man wird genauso naß wie von natürlichem Regen. Und genauso klamm. Ekelhaft!
    Mein Gott, was mach’ ich bloß?
     
    8.15 Uhr. Es hat vorerst aufgehört zu regnen. In sechs Stunden wird es wieder anfangen. Erstaunlich, wie muffig, feucht und dick die Luft ist. Schon einfaches Atmen bedeutet harte Arbeit, und ich habe ein Gefühl, als würde sich Schimmel in meinen Lungen ausbreiten. Ich vermisse die frische, klare, immer gleiche Frühlingsluft von Wronsky. Bei meinen früheren Ausflügen nach Dino Island war mir das Klima gleichgültig. Aber da saß ich natürlich auch gemütlich in meiner mobilen Einheit, in einer Welt für sich, abgeschlossen, autark und isoliert von jedem Kontakt mit diesem Satelliten und seinen Bewohnern. Nur ein umherschweifendes Auge. Ich bewegte mich, wohin ich wollte, unsichtbar und unverwundbar. Ob sie mich hier riechen können?
    Wir glauben nicht, daß ihr Geruchssinn besonders ausgeprägt ist. Und im Moment überlagert der Gestank des ausgebrannten Wracks sowieso alles andere hier. Aber ich muß die Angstsignale nur so versprühen. Jetzt bin ich ruhig, aber als ich aus dem Modul kam, habe ich mit Pheromonen nur so um mich geworfen.
    Unruhe zwischen den Sagopalmen. Da kommt etwas näher! Ein langer Hals, kleine, vogelartige Füße und feine Greifhände. Keine Angst. Bloß ein Struthiomimus – ein niedlicher Dino, zierlich wie ein Vogel und kaum zwei Meter groß. Augen wie aus flüssigem Gold schauen mich würdevoll an. Wie ein Strauß schwingt er den Kopf hin und her, klick-klick, als würde er sich überlegen, ob er noch näher an mich herangehen solle. Platz! Geh und zwick einen Stegosaurus. Laß mich in Ruhe!
    Er zieht sich zurück und gluckst dabei leise. So nahe war ich einem lebenden Dinosaurier noch nie. Gut, daß es einer von den Kleinen war.
    9.00 Uhr. Ich bekomme Hunger. Was soll ich essen?
    Man sagt, daß geröstete Sagopalm-Zapfen gar nicht schlecht sind. Aber was ist, wenn sie roh sind? So viele Pflanzen sind eßbar, wenn man sie kocht, aber sonst giftig. Ich habe mich mit solchen Dingen noch nie detailliert beschäftigt. Auf den kleinen L5-Satelliten, auf denen wir wohnen, müssen wir uns schließlich mit dem Leben im Freien nicht auskennen. Trotzdem – gleich vor der Spalte hängt ein fleischig aussehender Zapfen an der Palme, und er macht einen eßbaren Eindruck. Ich kann ihn ebensogut roh probieren, denn mir bleibt nichts anderes. Hölzchen aneinanderzureihen wird wohl kaum Zweck haben.
    Es macht ziemlich viel Mühe, den Zapfen herunterzubekommen. Ich wackle, drehe, reiße, zerre – ratsch. Nicht so fleischig, wie er aussieht. Eigentlich ziemlich zäh. Aber auch ein bißchen wie Kaugummi. Vielleicht enthält er nützliche Kohlehydrate.
    Die Raumfähre wird mich erst in dreißig Tagen abholen. Vorher wird kaum jemand nach mir suchen oder auch nur an mich denken. Ich bin auf mich allein gestellt. Eine hübsche Ironie: Ich war so versessen darauf, von Wronsky wegzukommen, weg von all dem Gezänk und dem Lavieren, von den endlosen Besprechungen und Aktennotizen, den Finten und Gegenfinten, diesem ganzen politischen Mist, in dem sich Wissenschaftler ergehen, wenn sie zu Verwaltungsmenschen werden. Dreißig Tage gesegnete Einsamkeit auf Dino Island! Schluß mit diesem beständigen dumpfen Pochen in meinem Schädel, hervorgerufen durch den täglichen Clinch mit Direktor Sarber. Endlich wieder reine Forschungsarbeit! Und dann schmilzt das Ding zusammen, und ich hocke hier in den Büschen und frage mich, was wohl zuerst kommt: Werde ich verhungern oder von einem geklonten Tyrannosaurus verspeist werden?
     
    9.30 Uhr. Gerade ist mir etwas Komisches eingefallen. Könnte es Sabotage gewesen sein?
    Ich überlege. Sarber und ich liegen seit Wochen in Fehde über die Frage, ob man

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