Kopernikus 4
Pfoten von sich gestreckt, auf dem Rücken wie Babys, oder sie jagen Papier, das im Wind umherweht. Im Winter sitzen sie bei den Heizungslüftungen, putzen sich und schnappen nach den kleinen Insekten, die durch die Lüftungsrohre hinausgeblasen werden, oder sie stöbern durch die Versorgungstrakte und fressen die Insekten auf. Eine Katze, die stundenlang mit geschlossenen Augen in der Sonne liegt, kann jederzeit überall sein; und die Katzen, die vor hundert Jahren im hohen Gras auf Mäusejagd gingen, waren darin sicher nicht weniger vertieft als unsere Katzen, wenn sie sich in den Trockenräumen an die Kakerlaken heranpirschen.
Mr. Coombes brachte es dahin, überfüllte Schlafräume mit Gelassenheit zu ertragen und jeden Gruß, jeden Händedruck mit einem Lächeln entgegenzunehmen; und manchmal sah er durch die Gitter eine unterernährte Katze, die sich mit geschlossenen Augen putzte, und dann beneidete er sie.
Mr. Coombes glaubte schließlich, die tote Katze sei durch eine Tür gegangen, durch die er vielleicht lebend würde gehen können. Als Beweis dafür hatte er nichts als sein eigenes Verlangen, und ich glaube nichts davon. Und doch, seit er verschwunden ist, mache ich mir Sorgen. Ich weiß, daß es Unsinn ist, aber ich sehe einen Zusammenhang zwischen Rachel Kwe und der Katze und Mr. Coombes, und ich stelle mir vor, daß die Stimme noch einmal zurückgekommen ist. Das stimmt natürlich nicht, denn es hat keinen weiteren Schwindelanfall gegeben, aber ich stelle mir vor, daß sie zurückkam und daß Mr. Coombes einfach hineinging. Die Möglichkeit der Flucht war immer seine fixe Idee gewesen, aber ich meine nicht, daß er geflohen ist. Er hatte schon begriffen, daß die Flucht nur darin bestehen kann, die Dinge hinzunehmen: Nichts, wohin man sonst gehen könnte, kann irgendeine Bedeutung für einen Menschen haben.
Ich muß daran denken, daß er es nicht über sich brachte, die Katze allein sterben zu lassen.
Er war so mit der Erde verbunden, daß Flucht für ihn immer Entrückung zu einer anderen, leeren Erde bedeutete. Aber nehmen wir an, jemand entflieht zu etwas, was er nicht fühlen kann oder was er zwar fühlen, aber nicht vermitteln kann: gefangen zu sein in der eigenen Haut, der Finsternis oder der Unendlichkeit oder in dem kleinen, zerbrochenen Kreisel des eigenen verirrten Verstandes?
Wir haben ein Lied hier, das nach der Melodie von Vostock Ferry gesungen wird. Der Refrain lautet: „Ich will mein Bad für mich allein, ich will mein Bad für mich allein; wir sind zu fünft in einem Bett, doch eins bitt’ ich mir aus: Ich will mein Bad für mich allein.“
Wahrscheinlich ist er ganz einfach gestorben.
Robert Silverberg
Unsere Liebe Frau von den Sauriern
OUR LADY OF THE SAUROPODS
21. August, 7.50 Uhr. Zehn Minuten, seit das Modul zusammengeschmolzen ist. Ich kann das Wrack von hier aus nicht sehen, aber ich kann es riechen, bitter und säuerlich in der feuchten tropischen Luft. Ich habe einen Spalt in den Felsen gefunden, eine Art Nische, wo ich eine Zeitlang vor den Dinosauriern sicher sein werde. Sie liegt versteckt hinter einem Dickicht von Sagopalmen, und sie ist auf jeden Fall zu klein, als daß die großen Raubtiere eindringen könnten. Aber früher oder später werde ich etwas essen müssen, und was dann? Ich habe keine Waffe. Wie lange kann eine Frau durchhalten, gestrandet und mehr oder weniger hilflos, auf Dino Island, einem Wohnsatelliten von nicht einmal fünfzehnhundert Metern Durchmesser, den sie mit einer Meute aktiver, hungriger Dinosaurier teilt?
Ich versuche die ganze Zeit, mir einzureden, daß dies alles nicht wirklich passiert, aber irgendwie kann ich mich selbst nicht so recht überzeugen.
Ich bin mit knapper Not davongekommen, und ich zittere noch immer. Noch jetzt höre ich das seltsame, leise Blubbern des Energiepacks, als es anfing heißzulaufen. In ungefähr vierzehn Sekunden war aus meinem hübschen Mobilmodul ein verkohlter Haufen von zusammengeschmolzenem Schrott geworden, und mit dahingegangen waren mein Kommunikator, meine Verpflegungseinheit, meine Laserpistole und so gut wie alles andere. Fast wäre ich selbst jetzt ebenfalls nur noch verkohlter Schrott. Und wahrscheinlich wäre ich dann besser dran.
Wenn ich die Augen schließe, kann ich mir vorstellen, daß ich den Wohnsatelliten Wronski sehe, wie er gelassen im Orbit dahinschwebt, nicht mehr als einhundertzwanzig Kilometer weit weg. Was für ein prachtvoller Anblick! Seine Außenwände glänzen wie
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