Kopernikus 5
Bedarf mit Stimulantien vollpumpen konnte. Ich hatte die Hand an dem Schalter, der die Stromstärke im Faradayschen Käfig verfünfzigfachen würde.
Was ich dann sah, das erscheint nicht auf dem Videoband – so als hätte das Band Licht dieser Wellenlänge nicht aufnehmen können, so als käme es aus einem völlig anderen Spektrum! Aber ich sah es mit meinen Augen, das kann ich beschwören.
Etwas Rotes (nur daß es nicht „rot“ war) erschien aus dem Nichts und ließ sich auf Ralphs Brust nieder. Es glich einer Fledermaus; es glich einer Riesenmotte; es glich einem feuerbeschienen Engel am Weihnachtsbaum. Es flackerte strobenhaft. Es schien in einem Moment dazusein und im nächsten nicht. Es hatte große, glasige Augen und einen winzigen scharfen Schnabel. Es hatte rasiermesserscharfe Klauen an den schleierartigen Flügeln – wenn es Flügel waren –, ähnlich den Sporen, die man Kampfhähnen anschnallt. (Mir war klar, daß ich nur das sah, was meine Augen und mein Verstand wahrnehmen konnten, nicht unbedingt das, was tatsächlich da war.)
„Theta Finale!“ sang der Swami, der nichts davon sehen konnte. „Stimulantien, Mary Ann!“
„Habe ich doch schon! Die Anzeigen …“
Gleichzeitig drückte ich auch auf meinen Knopf. Es war nicht mehr nötig. Was immer Ralph auch konstruiert hatte, um die Erhöhung der Stromstärke im Käfig auszulösen, es hatte bereits funktioniert. Der Käfig knisterte in fünfzigfacher Isolierung.
Die Nadel war in Ralphs Wade gedrungen. Er zuckte wie ein galvanisierter Frosch.
Mit weit geöffneten Augen setzte er sich aufrecht auf die Wasserbahre.
Das rote Etwas sprang von ihm herab, flackerte, verschwand und kam wieder, war aber länger an als abwesend. Es berührte die Wand des Käfigs und schien durch das elektrifizierte Filigranwerk hindurchzugleiten. Und ebenso durch die Glaswände. Nein, es glitt durch den Raum, in dem wir uns aufhielten, aber nicht hinein. Es glitt hindurch und hinein in eins der Spiegelbilder des Käfigs, tatsächlich hinein, so daß kein „Original“ im eigentlichen Käfig blieb. Jetzt fiel mir auf, worauf ich vorher nicht geachtet hatte: Vom Augenblick seines Erscheinens an war es nur einmal vorhanden gewesen. Keine Spiegelbilder. Keine Duplikate. Viele Reflexionen von Ralph, aber keine von dem roten Ding. Wie konnte etwas, das ich mit meinen Augen sehen konnte, kein Spiegelbild werfen? Vielleicht hatte das mit seiner wesenhaften Unteilbarkeit zu tun.
Die rote Motte flatterte von einem Phantomkäfig in den anderen und entfernte sich in Spiralen immer weiter von dem wirklichen Ralph Hewitson. Aber weiter entfernt wurden die goldenen Stangen dicker. Jetzt flog sie in eine Wand aus immer zäherem Sirup. Weiter konnte sie nicht durch die Spiegelbilder fliehen.
Ralph saß aufrecht und verfolgte sie mit den Augen, und dann griff er mit beiden Händen in die Luft. Über der wirklichen Wasserbahre war die Luft natürlich leer. Das Ding – der Tod – war nicht dort. Aber in den Spiegelkäfigen griffen alle Hände aller seiner Reflexionen gleichzeitig zu. Er schien genau zu wissen, was er tat.
Der Tod flatterte wie wild im Kreis, von einem Käfig in den anderen, um den Händen zu entkommen. Aber für Ralph war alles ein einziger Käfig.
Er fing ihn. Er fing ihn! Im dritten Käfig vom Original schlossen sich seine Hände um ihn und hielten fest. Seine wirklichen Hände und die aller anderen Spiegelbilder um ihn her blieben leer. Nicht aber jenes Paar. Jene nicht. Sie hielten das rote Etwas. Die Fledermaus, die Motte. Den Tod.
Der Tod hieb mit seinen Flügelklauen nach Ralphs Händen und hackte mit dem Schnabel hinein. Über die Hände und Handgelenke dieses einen Spiegelbildes strömte das Blut. Der wirkliche Ralph schrie vor Schmerz. Aber seine Hände wiesen keine Wunden auf. Nur die Hände des einen Spiegelbildes, welches das Wesen festhielt, wurden zerfetzt, aber er selbst spürte den Schmerz. Immer noch rang er mit dem Wesen. Mit verzerrtem Gesicht hielt er es fest: Zwei leere Hände mit hervortretenden Sehnen schlossen sich um leeren Raum. Und so weh es auch tat, soviel Fleisch das Wesen auch von seinen Phantomfingern riß, seine Fingerknochen hielten es in der Spiegelung immer noch fest.
„Was ist denn los?“ rief Mary Ann. „Er reagiert zu stark auf das Stimulans! Was ist los, Jon?“
„Er kämpft mit dem Tod“, rief ich. „Er hat den Tod gefangen, und jetzt kämpft er mit ihm!“
In diesem Moment drehte sich Ralph mir zu: Jedenfalls
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